Die Vellmarer Schachtage haben einen guten Ruf. Das hörte man schon von verschiedenen Seiten und Brahim Silini, der im Vorjahr teilgenommen hatte, konnte diese Lobrede bestätigen – obwohl der Ort nicht wie Korbach über eine Fundstätte von Fossilien aus der Permzeit verfügte. Aber das Open in Korbach lag wegen der Überschneidung mit der LEM 2019 ungünstig.

Vellmar liegt nördlich von Kassel, ist aber eigenständig und kein Stadtteil der hessischen Großstadt. Die 11. Vellmarer Schachtage bzw.  „Rainer-Weyers-Gedenkturnier“ (04.07. – 07.07.2019) fanden Interesse von diesmal 7 LSVern. Im Angebot war ein A-Open ab DWZ/Elo 1600, ein B-Open bis DWZ/Elo 1800 und ein C-Open bis DWZ/Elo 1200. Joa Max Bornholdt, Marco Frohberg, Kolja Maas und Jalel Silini hatten sich für das A-Open angemeldet, Daniel Harting-Maas, Brahim Silini und der Berichterstatten hatten für das B-Open votiert.

Und so machten wir uns auf den Weg in die Heimat von Johann Wolfgang von Goehte,.der Gebrüder Grimm, Duggefett und grüner Soße.

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Nach gut 4 Stunden erreichten wir unser Ziel: Die sehr, wirklich sehr geräumige Mehrzweckhalle von V-Frommershausen. Die Spielbedingungen waren hier mit Einzeltischen und durchgängig Holzbrettern wirklich à la bonne heure. Fans konnten die ersten 60 (!) Bretter über chess 24 am heimischen PC einsehen.

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Die 7 Runden  wurden mit der etwas noch gewöhnungsbedürftigen Bedenkzeit von 90 Minunten + 30 Sekunden Zuschlag pro Zug. Also keine Zeitkontrolle. Neu für uns war Bye-Regel, d.h. die Möglichkeit für die 1. und / oder 2. Runde nicht ausgelost zu werden und jeweils einen halben Punkt zu erhalten. Davon machten wir allerdings keinen Gebrauch, andere hingegen schon. Die Veranstalter verzichteten offensichtlich auf Lockangebote für Elo-Schwergewichte wie garantierte Startgelder, freie Unterkunft pp. Dadurch blieben zwar sog.. große oder zumindest mittelgroße Namen aus, das minderte jedoch die Turnierqualität keineswegs. Dafür gab es reichlich Rating- und Sonderpreise (Jugend/Senioren pp.). Die Startrangliste (98 TN) der Gruppe A wurde von FM Gunnar Schnepp (Elo 2297) vom SK Lauffen angeführt.

Marco hatte unweit des Spielortes für uns (MF, JMB und ES), eine preiswerte Ferienwohnung mit 3 Einzelzimmern und 2 Bädern gemietet. Einen Gemeinschaftsraum gab es zwar nicht, wurde allerdings auch nicht benötigt, da nach den jeweiligen Spiel-Enden sowohl Joa als auch Marco sich gleich in ihren Datenbanken vergruben. Von den 3 vorhandenen TV-Geräten funktionierte auch nur der in meinem Zimmer.

Bevor der erste Zug auf die Bretter kam, machten Marco, Joa und ich einen kleinen Rundgang, um einerseits die Gegend zu erkunden, andererseits, um sich über das kulinarische Angebot schlau zu machen, wenn auch manche mit einer Schale Pommes in der Woche sehr selbstgenügsam sind. Ganz in der Nähe des Turniersaals lag der Ahnepark, dessen Name auf das Flüsschen zurückgeht, das durch Vellmar fließt.

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In der Gruppe A wurde Marco nicht unerwartet bester LSV. Zwar verlor Marco keine Partie, war aber nicht sehr zufrieden. An 7 gesetzt und am Ende Rang 19 (98). Mit 3 Punktteilungen in das Turnier gestartet, dann 2 x gewonnen und schließlich noch zweimal Remis.

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Wehklagen auf hohem Niveau. Insbesondere sein Eröffnungsrepertoire hielt er für dringend ausbaufähig und deshalb bescherte Marco dem Betreiber des vor Ort aufgebauten Bücherstands das Geschäft seines Lebens. Schließlich ist Marco tagauf und tagab als Trainer unterwegs und da muss man eröffnungstheoretisch auf Zack sein. Insbesondere mit seiner Schlussrundenpartie hatte er schwer zu hadern. Ich selbst fand diese hoch interessant („Fire on Board“).

Joa machte einen Sprung von Listenplatz 73 auf 28 und erspielte mit 4 Punkten eine Performance von Elo 1963. Bärig! Dabei war der Turnierauftakt gegen die gleichaltrige Antonia Ziegenfuß, die in der AK U 18w bei der diesjährigen DJEM in Willingen Platz 2 belegte. Nach wechselhaftem Verlauf landete man in einem komplizierten Endspiel. Nach und nach hatte sich der Saal geleert. Niemand mehr an den Brettern – nur noch das einsame Paar Antonia Z. und Joa Max B. waren hinderten die]Organisatoren die zweite Runde in dieser Gruppe auszulosen. Nach hartem, und vor allem sehr, sehr langen Kampf  und 82 Zügen gab sich Joa geschlagen.

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Joa selbst hielt die folgende Partie aus der Runde 5 für berichtswert:

Am letzten Turniertag gab es für Joa noch einen Kurzsieg. Schwarz wählte dabei eine Variante aus dem Eröffnungsbereich „Da wollte ich mal was ausprobieren“.

Bleiben wir in der Gruppe A und wenden uns Jalel und Kolja zu. Jalel kam ebenfalls auf 4 Punkte und seine Elo Perfomance war mit 1871 sehr respektabel. Jalel kam relativ spät in die Gänge, doch ab Runde 3 war er “im Turnier drin“:

Jalel verbesserte sich vom Setzlistenplatz 92 gleich um 40 (!) Ränge und auch sein Rating dürfte ansehnlich ausfallen.

Kolja erwischte zunächst die Große Rochade und beendete das Turnier mit einer kleinen. Dennoch reichten die Siegpunkte am Samstag, um ihn etwas (95 zu 92) nach vorne zu bringen.

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Das A-Turnier  gewann Lara Schulze. Die aktuelle Deutsche Jugendmeisterin in der AK U18w nutzte in Runde 7 ihre Chance, als sich in folgender Stellung Schwarz mit 57….Ke8? selbst versenkte.

Glückwunsch an Lara, die damit Nachfolgerein des serbischen GM Misa Pap wurde, der 2018 den Sieg davon trug.

 

Kommen wir zur Gruppe B und beginnen wir bescheidener Weise in eigener Sache. 

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An 6 gesetzt (was nun überhaupt nicht realistisch ist) und mit 50 % auf Platz und auf Rang 37 nach Hause gefahren. mindestens 2 Partien in Gewinnstellung remisiert oder gar verloren und manchmal wurde die Stellungsberechnung durch Wunschringdrehen ersetzt. Ein Beispiel aus Runde 4 gefällig. Stellung nach 11….b5

Dem ersten Impuls folgend  griff ich sofort zu: Sxb5 axb5; Lxb5 0-0; Lxc6 La6; Lb5 Lxb5; Dxa5 Txa2. Gut möglich, dass das Nehmen auf b5 doch nicht so gut war. Die zunächst vertraute Morra-Struktur hatte sich verflüchtigt. Die weißen Bauern auf b2 und e4 sind schwach. Ich verlor völlig den Faden und im 30. Zug dann auch die Partie.  Andererseits hatte ich in einer Partie in besserer Stellung remisiert und sich bei der späteren Analyse meine bessere Position als glatte Verluststellung entpuppte. Also 3,5 aus 7 und eigentlich waren die 50 % mein Turnierziel.

Ähnlich erging es mit 2,5 Punkten Brahim, der im Vorjahr noch satte 4,5 Punkte erzielte, aber manchmal läuft es gut und dann wieder nicht. 

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Sehr erfreulich dafür das Ergebnis von Daniel (TWZ 856), der von Setzplatz 69 auf 59 sprang. Insbesondere in der zweiten Turnierhälfte spielte er groß auf und holte gegen eine Performance von TWZ 1443 am Ende starke 3 Punkte. Chapeau!  

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Das B-Turnier gewann mit 6 Punkten Michel Wiktorczyk aus Münden.

Aus unserem Bundesland konnte ich noch drei weitere Spieler entdecken. Den Schwartauer Johannes Reinhardt (Gr. A/50.), vom SV Bargteheide Maximilian Wurst (Gr. A/64.) sowie Knut Ahlers (Gr. A/76.) und den SK Norderstedt repräsentierte Hubert Wegemund (Gr. B/6.), der  mit dieser Platzierung gerade noch in den ausgelobten Preisrängen lag.

Und was gab es sonst? Ein Kellner, der nicht in der Lage war 3 Zahlen zu addieren, ein Steakhaus, das zwar eher enttäuschend war (Geschmacksache natürlich), dafür aber mit einem leckeren Dessert zu überzeugen wusste,

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eine sichere und unfallfreie Rückfahrt und Mutter Bornholdt überraschte uns in Lübeck mit einer selbst gemachten Pizza und so etwas ist ja auch nicht ganz unwichtig.

Also dann 2020 vielleicht erneut nach Vellmar? Auf der Turnierseite kann man sich weiter orientieren und findet dort auch weitere Fotos.