Zum Auswärtsspiel in Neumünster konnten wir eine schlagkräftige Truppe aufbieten. Trotzdem war Agon an allen Brettern nominell noch stärker aufgestellt (alle 8 Spieler über DWZ 2000). Nach einer Gedenkminute für Kevin folgten zwei schnelle Remisen an den Brettern 1 und 2. Eckart Ressler spielte gegen mich Semi-Tarrasch und wir folgten der Partie So – Kramnik aus der 5. Runde des Kandidatenturniers in Berlin. Leider gelang es weder Wesley So noch den Live-Kommentatoren GM Jan Gustafsson/Peter Svidler und schon gar nicht mir, einen weißen Vorteil nachzuweisen. 0,5:0,5.

Tom Linus musste sich im Sizilianer mit Ralf Menzels 3.Lb5+ auseinandersetzen. Allerdings auch nur kurz, denn er fand die Stellung „langweilig“ und Ralf meinte nach der Partie, er habe eh keine Lust mehr gehabt in der 8. Runde der Saison. 1:1.

Die nächste Stunde verbrachten wir zu viert im Analyseraum. Eckart, Ralf und ich schwelgten in Erinnerungen an die LEM der 80er Jahre und Tom Linus versuchte am Nachbartisch, auf den 680 Seiten „The King’s Gambit“ von John Shaw voranzukommen. Irgendwann stieß er zu uns und Eckart dozierte für ihn über die Entwicklung des Sizilianers von Boleslawski über Anti-Najdorf zum Englischen Angriff. Wir legten dann mit 3:1 Stimmen fest, dass Tom Linus, wenn er nicht „nur“ IM, sondern GM werden will, irgendwann mit Weiß die offenen Sizilianer spielen bzw. gespielt haben muss. Naja, mal abwarten und zurück zum Kampf…

Samuel hatte gegen Joachim Neumann mit Schwarz einen schweren Stand. Wenn dieser seine Spielstärke (Fernschach-ELO 2805) aufs Brett bringen kann, wird es für jeden Gegner schwer. 1:2, Rückstand für uns.

Thomas hatte gegen Alexander Haffner zwei Bauern weniger und versuchte, das durch einen Königsangriff zu kompensieren. Leider kamen seine Figuren nicht zur hierfür erforderlichen idealen Aufstellung, was vor allem an einem vom Läufer g4 gefesselten Springer auf f3 lag. 1:3.

An den verbleibenden vier Brettern konnte ich zu diesem Zeitpunkt keine bessere Stellung für uns erkennen. Tilos Doppelturmendspiel musste ohne „blunder“ auf einer der beiden Seiten Remis ausgehen. Berdis Gegner hatte im Wolga-Gambit mit 5.b6 als Weißer mit d5, e5, f4 ein breites Zentrum aufgebaut und es musste sich noch zeigen, ob die Bauern stark oder schwach sind. Hartmut stand positionell leicht schlechter mit hängenden Bauern c3 und d4 bei schwarzfeldrigen Läufern, jedoch noch im Mittelspiel. Vitus spielte gegen den geschlossenen Sizilianer und hatte seine Königsstellung mit g5 ein wenig geschwächt. Allerdings stand sein Bauer auf e6 wie ein Fels in der Brandung, der vor allem die potenzielle Felderschwäche f5 überdeckte. Und er hatte das Läuferpaar. Der Läufer auf e7 sah zwar nicht gut aus mit seinem Blick auf den eigenen Bauern g5, aber auf f7 (oder g7?!) versteckt lauerte sein Turm, was nach weißem Txb7 Vitus …Lc5 „SCHACH“ ermöglichte, wonach Jörg Harm wegen des Turmeinstellers sofort aufgab. 2:3.

Berdi hatte sich derweil nach …c4 mit Sxd5 und dxe5 die beiden Zentrumsbauern von Jörg Maass geschnappt und musste nach folgendem f5 von Weiß, immerhin mit erheblichem Zeitvorteil, den Königsangriff aushalten. Allerdings war die Verteidigung anscheinend nicht so einfach wie erhofft, denn Berdi verbrauchte in der Folge fast seine komplette Bedenkzeit und lebte danach nur noch vom Increment. Maass schaffte es, ein undeckbares dreizügiges Matt zu drohen, dem Berdi mit dem unscheinbaren …Tb8 begegnete. Jörg machte weiter mit Lxf6 und die Zuschauer erwarteten Berdis Aufgabe, aber er muss irgendwann einmal „Bobby Fischer lehrt Schach“ studiert haben, denn nun folgte in der Konstellation Schwarz: Tb8, Dd5, Lc6; Weiß: Kh1, Tg1, Bauern h2, g2 folgerichtig Dxg2+ mit sofortiger weißer Aufgabe wegen Txg2 Tb1 matt. 3:3.

Tilos Partie wurde dann erwartungsgemäß Remis gegeben. 3,5:3,5.

Somit lief nur noch Hartmuts Partie. Aber leider hatte sich seine Stellung verschlechtert. Wolfgang Grohde schaffte es, die hängenden weißen Bauern c3 und d4 festzulegen. Dame und Turm beherrschten das Feld c4 und als der weiße Bauer a2 fiel und kein aktives Gegenspiel in Sicht war, musste Hartmut aufgeben. 3,5:4,5.

Am Ende also eine knappe Niederlage, die aber auch höher hätte ausfallen können.