Der Traum von Winnetou XXL ist ausgeträumt. Es gab einfach kein Kostüm in meiner Größe und so musste ich schweren Herzens den Gastauftritt der Karl Mayfestspiele während unseres Kampfes gegen Bad Segeberg absagen. Letzten Endes blieb ein stinknormales Landesligaspiel in gediegener Altentagesstättenatmosphäre. Eigentlich schade, ich war schon sehr gespannt, wen die Segeberger Bleichgesichter für die Rollen des heimtückischen Schuts, des hinterhältigen Ölprinzen oder gar des skrupellosen Sanders vorgesehen hatten. Kandidaten hätte es ja vielleicht gegeben. So also ein 6,5:1,5, ungefährdet und verdient. Ende der Geschichte. Nicht ganz, eignet sich der Kampf gegen Bad Segeberg doch recht gut dafür ein paar kritische Anmerkungen in Richtung der Heiligengestalt des Schachs im 21. Jahrhundert loszuwerden. Die Rede ist natürlich von Magnus Carlsen, Weltmeister und Weltranglistenerster, jung, dynamisch, eloquent und gutaussehend, eine wahre Werbeikone, und in seiner Heimat Norwegen ein absoluter Volksheld. Aber auch er hat, wie wir eben alle, seine dunkle Seite. Kürzlich lief über ihn ein Film in den Kinos mit dem Titel der Mozart des Schachs.

Meines Erachtens sollte man den Film umbenennen in sagen wir mal der Stockhausen des Schachs. Denn wir wollen nicht vergessen, dass es Magnus Carlsen war, der das Damenbauerngekrumpel aus seiner wohlverdienten Schmuddelecke hervorzerrte, um es auf allerhöchster Ebene zu präsentieren. Unter dem Begriff Damenbauerngekrumpel subsumiere ich neben den üblichen Damenbauernspielen wie das Londoner System, der Richter-Weressov, und dem Colle auch einige Stellungen in denen der Bauer sich nur rein zufällig nach C4 verirrt hat. Insbesondere dann wenn der schwarzfedrige Läufer beizeiten mit E3 eingekerkert wurde. Wahrscheinlich um zu verhindern, dass er zu früh in die Pubertät gelangt, um anschließend seinen Erziehungsberechtigten große Schwierigkeiten zu machen. Man kennt das ja. Die Adelung von höchster Stelle zeigt Wirkung. Gegen Segeberg gab es bei acht Partien insgesamt sechsmal das Damenbauerngekrumpel. Natürlich haben Menschen auch früher schon sowas gespielt. Sicherlich aber nur aus purer Verzweiflung und nicht wie heutzutage mit weltmeisterlicher Attitüde. Auch ich gebe zu, das ich bisweilen auf diese Varianten zurück gegriffen habe. Aber niemals ohne schlechtes Gewissen und zumeist als logische Konsequenz des dem Spiel vorangegangen Abends, der sich getreu des guten alten Sven Glückspilz Mottos:“ Immer wenn die Nacht am dunkelsten ist, ist der Tag am nächsten.“, entwickelt hatte.

Anhand des Kampfes gegen Bad Segeberg möchte ich nun einige Thesen über die Schädlichkeit des Damenbauerngekrumpels für den Schachspieler im Allgemeinen und den Menschen im Besonderen an der Praxis abgleichen.

Erste These: Der Damenbauerngekrumpler verliert früh seine kreativen Ideen.

„Ich hatte einfach keine kreativen Ideen mehr und da habe ich mal lieber Remis gemacht gegen Martin Gütschow.“, sagte der Damenbauerngekrumpler Michael Lucas nach nicht einmal einer Stunde und verließ desillusioniert dem Spielsaal.

Zweite These: Der Damenbauerngekrumpler verfügt über eine sehr sichere Königsstellung. Matt gesetzt zu werden scheint schier unmöglich. So neigt er dazu sein taktisches Radar nicht mehr auszufahren, um anschließend auf kleine schmutzige Tricks weit jenseits des Königs reinzufallen. So erging es dem Damenbauerngekrumpler Thomas Werner gegen Frederik Svane und dem Damenbauerngekrumpler Jonas Westerhaus gegen den Berichterstatter. 2,5:0,5 nach etwas mehr als einer Stunde.

Dritte These: Beim Damenbauerngekrumpel müssen beide Seiten so seltsame Züge und Manöver vollführen, dass man die anschließend entstandene Stellung wohl am besten mit dem schönen Wort vergnut umschreiben könnte. Das hernach keiner mehr Lust auf´s Weiterspielen hat´, ist nur allzu verständlich.

So zu sehen, beim Remis nach knapp 2 Stunden zwischen dem Damenbauerngekrumpler Jörg Offen und Wolf Reimer zum 3:1.

4 These: Wenn es dem Damenbauerngekrumpler durch schier übermenschliche Kraftanstrengung gelingt seine kreativen Ideen zu behalten, dann ist diesen Stellungen eine so bösartige Apathie immanent, das es am Ende dann doch nichts bringt.

So einigten sich dann auch der Dammbauergekrumpler Jan Plackmeyer und Florian Wegner weit vor der Zeitkontrolle auf Remis zum 3,5:1,5.

Fünfte These: Um als Damenbauerngektumpler Erfolg zu haben, benötigt man sehr spezielle vielleicht sogar leicht abwegige Charaktereigenschaften.

Besonders geeignet scheinen hierbei die Hardcoreexestentialisten zu sein. Man muss eben wie einst Albert Camus davon überzeugt sein, dass Sisyphos ein glücklicher Mensch war. Man muss daran glauben, dass das ewige Heraufrollen des Steins und dabei gleichzeitig dem grausamen Schicksal trotzig ins Gesicht zu lachen, die einzig mögliche sinnhafte Handlung in unserem ansonsten doch so sinnlosem Leben ist. Hat man dies erst einmal internalisiert ist man bereit für das Damenbauerngekrumpel. So jemand ist zweifellos Andreas Gevatter Hein. Wer hierfür noch eines Beweises bedurfte, der führe sich seine Partie gegen Manfred Haß zu Gemüte. Und ewig rollten und rührten die Steine zum 6,5:1,5 Entstand.

Nicht vergessen wollen wir die beiden Partien in denen etwas anderes auf´s Brett kann. Am Spitzenbrett erlangte Michael Ehrke, der sich allen Ernstes darüber beschwerte, dass er als Schwarzer keinen Einfluss darauf gehabt hatte, ebenfalls am Damenbauerngekrumpelfestival teilnehmen zu dürfen, mit seinen Skandinavier gegen Steffen Wragel früh Ausgleich. Als die Sache vollends zu verflachen drohte opferte Michael auf Chance einen Bauern. Korrekt oder nicht? An diesem Tag hatte Michael die Wahrheit, die bekanntermaßen auf dem Brett liegt, für sich gepachtet und die Wahrheit darf man immer spielen. Das war das 4,5:1,5. Letztlich hatte Tigran Poghosyan sein Gegenüber Mirko Neitzel im Würgegriff des Maroczysystems. Klug verstärkte er seine Stellung, eroberte einen Bauern und gewann das so entstandene Turmendspiel instruktiv zum 5.5:1,5 Zwischenstand.

Bevor ich nun auf die nächste Runde eingehe, möchte ich noch einige Worte über den Flensburger SK verlieren. Schachfreund Andreas Schütte hatte mich in seinem Kommentar zu meinem letzten Bericht dazu aufgefordert ein paar persiflierende Anmerkungen über das desaströse Auftreten seiner Mannschaft in der Verbandsliga zu machen. Mein lieber Andreas, dies lehne ich rundweg ab. Ein Traditionsverein wie Flensburg hat nun wahrlich weder meinen Spott noch gar meinen Trost nötig. Zudem seid ihr als Menschen, die hart an der Hot Dog Grenze leben Kummer gewöhnt und solltet ihr tatsächlich in den Bezirke absteigen müssen, so wisst ihr selber am besten, dass dies dann die stärkste alle möglichen Bezirksliegen sein wird.

Auch uns verschlägt es beim nächsten Mal in den hohen Norden. Hier nun ein paar warnende Worte an unseren kommenden Gastgeber: Wir werden nicht nur top motiviert sein sondern auch exzellent vorbereitet. Keines Eurer Geheimnisse ist vor uns sicher. Wir wissen schon weit im Voraus, was ihr geplant habt. Wie das? Ich sage nur: das Leckleak.