LSV II ist ne Wucht! Auf der Webseite des SV Bad Oldesloe lobte Hans-Werner Stark die Wucht, mit der LSV II in der Landesliga agieren würde. Es sei schon fast schade, dass aufgrund der Situation von LSV I ein Aufstieg unmöglich wäre. Ursprünglich hatte ich vor, bezüglich unserer Runden vier und fünf etwas über alte, fette Männer zu schreiben, die etwas uninspiriert, aber dafür mit großer Routine, nominell deutlich schwächere Mannschaften kontrolliert beherrschen. Aber nach den warmen Worten von Hans-Werner musste ich umdenken. Da ja bekanntermaßen heutzutage das "Gefühlt" die neue Realität ist, hier nun also ein paar alternative Fakten in einem gefühlt wuchtigen Bericht.

In Runde vier siegten wir bemerkenswert souverän mit fünf zu drei gegen Eckernförde, unseren unbestritten stärksten Gegner in der Landesliga. In Runde fünf gewannen wir überraschend deutlich mit sechs zu zwei gegen Norderstedt II, dem ebenfalls unbestritten besten Gegner in der Landesliga. 16 Partien haben wir gespielt. Nur eine ging verloren. Ausgerechnet Bernhard Weber hat es gegen den Eckernförder Altmeister Edmund Lomer erwischt. Aber Bernhard, schuldlos in eine missliche Situation geraten, lieferte einen heroischen Kampf. Mit großer Zähigkeit und Einfallsreichtum hatte er sich gerade wieder in die Remisbreite gekämpft, als das Schicksal erneut unerbittlich zuschlug. Das Blatt wendete sich ein letztes Mal und mehr als nur ein Hauch von Tragik umwehte Bernhards Brett. Aber schrieb nicht schon Friedrich Nietzsche, dass die Größe des menschlichen Geistes eine Schmerzgeburt sei? Dass diese aus Leid, Unglück und verlorenen Schachpartien entspringen würde? Also gräme dich nicht Bernhard, du hast einen phantastischen Job gemacht.

Gegen Norderstedt musste Bernhard passen und wurde durch Michael Lucas ersetzt. Der schlug gleich ein wie eine Granate. Erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Michael gegen Hubert Wegemund seine Stellung mit Mehrfigur und einem Freibauern, der ungehindert zur Dame durchlaufen würde, bei gleichzeitigem Fehlen jeglicher gegnerischen Chancen, sicher nach Hause brachte. Das ist das große Geheimnis der Meister. Sie lassen unglaublich komplizierte Dinge so unendlich einfach aussehen.

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Alle anderen Helden von LSV II waren in beiden Runden mit von der Partie. Michael Ehrke erwies sich wieder mal als würdiges Spitzenbrett. Zwei Vorteilsremisen gegen Dustin Möller (Eckernförde) und Oliver Zierke (Norderstedt II). Aber es waren nicht irgendwelche Partien. Es waren lange, sehr sehr lange Partien! Wahre Seeschlangen! Es wurde gekämpft bis aufs Messer und aus den letzten Steinen noch Blut gepresst. Zu Hause warteten Frau, Heim und Marathontraining, der Mond hatte schon lange seinen Dienst begonnen und Michael spielte noch immer. Grandios! Auch unser Jungstar Tigran Poghosyan war in großer Form. Gegen Manfred Homuth (Eckernförde) hatte er sich einen tiefen strategischen Plan zurecht gelegt, diesen dann akkurat in die Tat umgesetzt, um hernach die gegnerische Stellung zu demontieren. Kritiker warfen ein, dass Manfred Homuth seltsam teilnahms- ja geradezu leblos dem Treiben Tigrans beiwohnte, ohne dem etwas entgegenzusetzen. Aber diese Kritiker wissen natürlich nicht, wovon sie reden. Meines Erachtens hat Manfred alles richtig gemacht. Sich beizeiten gedanklich neben das Brett gestellt, um so besser bewundernd dem jungen Genie bei der Arbeit zuschauen zu können. Auch gegen Norderstedt II spielte Tigran eine tolle Partie. Aber sein Gegner Falko Meyer warf ohne den Anschein jeglicher moralischer Skrupel, geradezu schamlos, seine eigene große Spielstärke in die Waagschale und ergaunerte sich so ein Unentschieden. Darüber wird zu reden sein, Falko! Ebenfalls zu überzeugen wusste unser anderes Riesentalent Frederik Svane. Gegen den Tal Eckernfördes, Tim Bendfeldt, sah er sich mit mehr taktischen Fallstricken konfrontiert, als ich Kilos auf den Rippen habe. Der Junge mit Nerven wie Drahtseile konnte sie aber alle umschiffen und ein phantastisches Remis erzwingen. Die Krönung war dann aber sein Auftritt gegen Torsten Bührmann von Norderstedt II. Frederik erwies sich hierbei wie einst Emanuel Lasker als großer Experte in Sachen Schachpsychologie. Er überließ seinem Gegner eine gute positionelle Druckstellung, wohl wissend, dass es besonders diese Positionen sind, die es der überlegenen Partei beinahe unmöglich machen einen kurzzügigen Figureneinsteller zu verhindern. Und Zack! Ulrich Sieg erwies sich mal wieder als unserer ruhender Pol. Oder sollte ich vielleicht besser sagen als fester Anker in stürmischer See? Er hatte es mit dem stärksten Spieler der Eckernförder zu tun. Kai Karl Krüger! Das Kai der Beste ist, ergibt sich schon ganz zwangsläufig aus der Tatsache, dass er einige Jahre für den LSV gespielt hat. So entspann sich ein episches Ringen, das sogar beinahe die Einstundenmarke geknackt hätte. Danach war es unweigerlich Remis. Auch gegen Norderstedt II musste Ulrich wieder gegen den Besten ran. Okay, Enrico Eichstädt hat niemals für uns gespielt, aber das ist auch ein Fehler gewesen, den wir rasch beheben und dem Mann ein attraktives Angebot unterbreiten sollten. Zur Not müssen da Sponsoren ran.

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Ein eiskalter Stratege und gleichzeitig ein hochbegabter taktischer Feuerkopf. Kann es so etwas geben? Wer soll das sein? Ein Cyborg? Nein, Wolf Reimer! Nur absolute Laien konnten sein Remis gegen Christopher Deutschbein (Eckernförde) als unspektakulär oder ereignislos bezeichnen. Wissen diese Ahnungslosen denn nicht, dass, wenn beide Könner auf dem Höhepunkt ihres Schaffens sich befindend, die wilden, spannenden Varianten geradezu zwangsläufig im Verborgenen bleiben müssen? Nichts im Verborgenen hingegen blieb in der Partie gegen Herbert Nachtkamp (Norderstedt II). Hier zelebrierte Wolf die hohe Kunst des Eintauschens eines Vorteils gegen einen anderen. Aus einem starken Angriff wurde ein gutes Turmendspiel und daraus ein Bauernendspiel das Wolf so studienartig gewonnen hat, dass John Nunn für die Neuauflage seiner Chess Puzzles sogleich Kontakt mit ihm aufgenommen hat.

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Bei so viel Glanz um mich herum konnte und wollte ich natürlich nicht abseits stehen. Gegen Rolf Möller (Eckernförde) hatte ich durch exakte Eröffnungsbehandlung mir die einzig offene Linie gesichert und damit dauerhaften Vorteil. Das war mir aber natürlich nicht genug. So opferte ich einen Bauern, ließ es zu, dass mein Gegner zwei Freibauern bilden konnte, um stattdessen seinen Königsflügel in Stücke zu hauen. Als unbedarfter Geist konnte man vielleicht den Eindruck gewinnen, dass ich mit einem innerlichen „Boa ist mir langweilig“, das Bauernopfer so hingerotzt hatte und mein Gegner auch noch kräftig bei seiner Niederlage mitgeholfen hatte. Die Entkräftung dieses Eindrucks liegt natürlich schon in dem Wort unbedarft begründet. Noch mehr zur Sache sollte es dann gegen Anke Freter (Norderstedt II) gehen. Es kam zu einem wilden, taktischen Schlagabtausch bei entgegengesetzten Rochaden. Heterogene Rochaden? Gegen eine Frau? Ja, manchmal bin ich schon tollkühn. Das spektakuläre Dauerschach war dann die logische Konsequenz. Wie, Anke hätte mich neunzügig Matt setzen können? Papperlapapp! Wer sieht denn schon ein neunzügiges Matt? Das hätte doch nicht mal Vera Menchik gefunden, ihr Erbsenzähler!

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Letztlich bleibt noch unser absoluter Topscorer Stephan Schiebuhr. Torsten Bahr (Eckernförde) versuchte ihn mit dem ungewöhnlichen Tom Tomprovskiangriff zu verwirren. Aber Stephan konterte mit einem Bauernopfer im Stile des Wolgagambits. Diesen Fluss kannte Torsten offenkundig nicht und ertrank so jämmerlich in den Fluten des vergifteten b-Bauern. Soll mir keiner erzählen, dass nicht auch ein Massaker einen gewissen ästhetischen Reiz hat. Aber Stephan vermochte sogar noch einen draufzulegen. Gegen Christian Bordasch (Norderstedt II) fand Schiebi ein so wunderschönes Matt, dass sogleich Paul Morphy seinem Grabe entstieg, um ihm die Hand zu schütteln. Nach diesen Triumphen war es selbstverständlich, dass wir uns unseren treuen Anhängern präsentieren mussten. Tausende von Fans hatten sich auf dem Rathausplatz versammelt. So viele wie noch nie zuvor in der Geschichte dieses Platzes. Ich konnte mit bloßen Augen sehen, dass die Menschenmasse sich vom Rathaus bis nach Travemünde erstreckte. Sobald ich verstanden habe, wie dieses blöde Photoshop-Programm funktioniert, werde ich die entsprechenden Beweisfotos an Fox News übermitteln. Denn eines ist klar: Als Kapitän werde ich dafür sorgen, dass die zweite Mannschaft so viele Punkte sammeln wird, wie noch nie zuvor eine Mannschaft auf diesem Planeten, ach was im ganzen Universum! Ich werde LSV II wieder groß machen. Glaubt mir. Es ist wahr.

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PS: Beim nächsten Mal gibt es dann wieder was über alte Männer und das Schachspiel. Zudem werde ich mich mit der Frage beschäftigen, ob man gegen offensichtlich unterkühlte Doppelbaueraner lieber mit langer Unterhose oder Nierenwärmer spielen sollte.