Aufstiegskrimi in der Verbandsliga: Wie bereits dem letzten Bericht zu entnehmen war, kämpften wir als frisch aufgestiegenes Team am letzten Spieltag etwas überraschend erneut um den Aufstieg - dieses Mal in die Landesliga. Dafür musste jedoch ein Sieg gegen die eigentlichen Ligafavoriten aus Norderstedt her und zusätzlich durfte Mölln nicht mehr Brettpunkte holen als wir. Von Platz 1-3 war somit alles möglich. Als ich in dem gestrigen Bericht scherzhaft schrieb, dass Karten im Vorverkauf erworben werden könnten, standen die Vorzeichen bereits schlecht, da Spitzenbrett Tom absagen musste und Hannos Teilnahme gesundheitsbedingt auf der Kippe stand.

 

Glücklicherweise konnte Hanno antreten, allerdings machte eine 7-Mann Mannschaft gegen eine so starke Mannschaft nur sehr gedämpfte Hoffnungen. Die zweite Mannschaft aus Norderstedt kam jedoch auch nur zu siebt und ließen das 2. Brett frei, sodass es zu Beginn 1-1 stand. Nach zwei Stunden drohte der Kampf bereits einen einseitigen Verlauf zu nehmen. Hanno geriet im späten Mittelspiel zunehmend in ein Netz aus einer Vielzahl von Drohungen, konnte lange alles verteidigen, letztlich fruchtete jedoch eine Idee des Gegners und die Waffen mussten gestreckt werden. Das Thema Waffen strecken begleitete auch meine Partie lange Zeit. Ich traf in der Eröffnung eine positionelle Fehlentscheidung, die mich im weiteren Verlauf eine sehr passive Stellung einen Minusbauern kostete. Bei Paul stand das Brett leicht in Flammen, nachdem ihm jedoch taktisch eine Qualität abhandenkam, sah es nicht mehr sehr aussichtsreich aus.

Auch Helene befand sich gegen eine deutlich stärkere Gegnerin in einer sehr unangenehmen Position und dem Blick zufolge, den wir beide kurz tauschten, waren wir beide kurz davor, die Hand herrüberzureichen. Einzige Lichtblicke waren die Stellungen von Rouven und Benjamin, wobei Benjamins Stellung sehr remisverdächtig aussah. Meine Prognose nach drei Stunden war daher 2,5 – 5,5. Niedergeschlagen setzte ich mich wieder an mein Brett, dessen Bewertung zwischen +8 uns +15 für meinen Gegner schwankte und ich nur darauf wartete, dass er mir den Gnadenstoß versetzte. Der einzige Grund warum ich nicht aufgab, war zumindest die Illusion eines knappen Zwischenstandes von 1-2 für die Mannschaftskameraden aufrecht zu erhalten. Was jedoch in den folgenden 2,5 Stunden geschah, hätte ein Drehbuchautor kaum besser schreiben können: Rouven konnte tatsächlich das Endspiel recht souverän gewinnen und es stand 2-2, bevor Helene aufgab und es wieder 2-3 stand. Ich quälte mich weiter mit einer unhaltbaren Stellung ab. Mit einer Minute auf der Uhr beschloss ich noch ein paar Racheschachs zu geben, bevor ich resignieren würde:

Ich konnte zunächst selbst kaum fassen, was da gerade passiert war, aber plötzlich sahen wir in dem Kampf wieder etwas Land in der Ferne und etwas Hoffnung keimte auf. Nur kurz darauf kam Benjamin strahlend in den „Vereinsraum“ des Hotels und konnte ebenfalls einen ganzen Punkt verbuchen, nachdem er das Remisangebot des Gegners ausschlug und das Endspiel erfolgreich kneten konnte. Somit wurde das Spiel auf 4-3 gedreht und plötzlich war ein Mannschaftspunkt sicher. Dieser Triumph im Angesicht eines verloren geglaubten Kampfes konnte die etwas gedrückte Stimmung schlagartig aufmuntern. Sie wurde nur noch gesteigert als Ruben in den Raum mit der Bemerkung kam, dass Pauls Stellung trotz Minusqualität eventuell haltbar aussähe. Es folgten 2 Stunden in denen der Ligakrimi der Verbandsliga B am sechsten Brett in voller Länge in der Extended Version ausgestrahlt wurde. Von stark konträren Stellungseinschätzungen, bis hin zu wild diskutierten Gewinnvarianten, potenziell haltbaren Turmendspiel mit 3 Minusbauern, massiven Ausschlägen der Enginebewertung und Gefühlsschwankungen auf beiden Seiten, war alles dabei.

Es kam zum furiosen Finale, wo Paul den besseren Überblick behielt und mit seinem Sieg den Mannschaftskampf sichern konnte, der einst in so weite Ferne gerückt war.

Somit waren wir sicher zweiter Platz in der Liga und brachten Mölln unter Siegeszwang. Wenig später folgte dann die kleine Ernüchterung: Mölln gewann 5,5-2,5 und war somit mit einem halben Brettpunkt vor uns auf dem Spitzenplatz. Auch wenn wir uns nicht sicher waren, ob wir im Falle eines Aufstiegs überhaupt hätten aufsteigen wollen, hätte ein Ligasieg doch nochmal einen moralischen Boost mit sich gebracht und die Erfolgsgeschichte des LSV VI perfekt gemacht. Dieser kleine Dämpfer konnte jedoch die allgemein gute Stimmung angesichts der starken Saison nur kurz eintrüben. Schließlich waren wir als klarer Underdog in die Saison gestartet und ein solches Ergebnis hätte uns weder einer von uns noch einer unserer Gegner zu Beginn zugetraut. Bezeichnend für unsere überraschende Performance ist die folgende Darstellung des Ligaorakels, welches uns zu Beginn eine Abstiegswahrscheinlichkeit von 95% bescheinigte.

Diese Leistung wurde gemeinsam ausgelassen beim Italiener in der Nähe gefeiert.

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Auch wertungstechnisch machten sich die Erfolge deutlich bemerkbar. In Summe gewannen die 9 Stammspieler 435 DWZ dazu. Damit gleicht sich unser Schnitt merklich an das Niveau der Verbandsliga an, wodurch wir nächste Saison unseren Titel als inoffizielle Spaßmannschaft wohl aberkannt bekommen. Hervorzuheben sind bei den Einzelergebnissen unsere beiden hinteren Bretter Helene und Benjamin, die mit 6 aus 9 bzw. 6 aus 8 Punkten eine starke Ausbeute holten, die mit DWZ-Zuwächsen in Höhe von 108 bzw. 203 honoriert wurden. Auch Ruben war mit 5,5 aus 7 stets ein sicherer Fels in der Brandung. Ein besonderer Dank gilt natürlich auch Tom, der sich drei Ligen degradieren ließ, um ein paar der für uns übermächtigen Gegner abzufangen. Unsere weiße Weste aus dem Vorjahr mit 0 freigelassenen Brettern konnten wir leider nicht halten, was vor allem auf einen Kampf zurückzuführen war, wo wir nur zu fünft aufgrund von ungünstigen Verkettungen an Umständen antraten. Abgesehen davon waren alle Spieler immer sehr verlässlich und motiviert, was die Mannschaft auch auszeichnet. Ebenso wie die zwischenmenschliche Komponente beim Warten im Analyseraum. Man darf gespannt sein, in welcher Aufstellung in der nächsten Saison angetreten wird.