Anfang Dezember stand das Heim-Wochenende in der zweiten Bundesliga an. Zu Gast waren mit Zehlendorf und Rotation zwei Mannschaften aus Berlin zu Gast, gegen die wir schon sehr oft gespielt haben. "Wir" bedeutet in dem Fall allerdings nur Dirk und ich, der Rest der Mannschaft war in den 90er Jahren noch nicht dabei. Im Unterschied zur ersten Doppelrunde im Oktober in Berlin war das Durchschnittsalter unserer Mannschaft noch niedriger, weil Justus Sommer anstelle von Michael Ehrke am Brett saß.

Für diejenigen, die die Kämpfe der ersten Mannschaft nicht so intensiv verfolgen: Mit Joa Bornholdt (2), Frederick Waldhausen Gordon (3), Tom Bosselmann (6), Levi Malinowsky (7) und Justus Sommer (8) spielen dort fünf Nachwuchstalente, unterstützt von den drei erfahrenen Spielern Sergey Kalinitschew (1), Ullrich Krause (4) und Dirk Lampe (5). Nach meinem Eindruck aus den ersten vier Mannschaftskämpfen sollten wir die Aufstellung mindestens von der Reihenfolge her in der nächsten Saison anpassen, und ich hätte auch nichts dagegen, meinen Platz für den nächsten Nachwuchsspieler vollständig zu räumen.

Nach dem überraschenden Punktgewinn in Berlin gegen Rüdersdorf waren wir optimistisch, dass wir auch dieses Mal nicht ohne ein zählbares Ergebnis wieder nach Hause fahren. Um das Ende vorwegzunehmen: Das Ergebnis war ähnlich, am Samstag gelang uns ein 4-4 gegen Zehlendorf, während wir am Sonntag eine Niederlage gegen Rotation quittieren mussten. Aber in beiden Kämpfen war mehr drin, auch das eine Parallele zur ersten Doppelrunde...

Das Wochenende begann am Samstag um 13 Uhr, als Dirk und ich uns zum Aufbauen im Vereinsheim trafen, unterstützt von Ede. Um 14 Uhr saßen alle Spieler am Brett und Brötchen und Obst standen bereit. Die Zehlendorfer boten acht Titelträger auf (1 GM und 7 IM) und waren nominell natürlich besser als wir. Der Verlauf der Partien ergab allerdings ein anderes Bild, das in der Brettreihenfolge 1-8 wie folgt aussah:
An 1 spielte Sergey sein übliches für einen Amateur schwer zu lesendes Schach, d.h. es gab in der Anfangsphase keine große Feindberührung, aber irgendwann dann doch und eigentlich stand Sergey besser, hatte am Ende aber Glück, dass er ein Remis erreichte.
An 2 gewann Joa eine sehr schöne Partie, die er ruhig mit dem Damenbauernspiel begann, in der er später aber eine gewinnbringende Initiative mit einem Freibauern auf c6 erreichte. Am Ende hatte er eine Dame und mehrere Bauern gegen Turm, Läufer und deutlich weniger Bauern.
An 3 spielte Frederick dieses Mal die längste Partie, in der er seinen Gegner (wie gesagt: ein IM mit einer ELO-Zahl > 2400) mit den schwarzen Steinen in einem Endspiel mit zwei Türmen, einem Springer und vier Bauern auf beiden Seiten langsam auskreiselte. Am Ende gab es eine hübsche taktische Wendung, die ich allerdings nicht live erlebt habe und deshalb auch nicht wiedergeben kann.
An 4 durfte ich mein Glück gegen den nächsten IM versuchen. Aus mir nicht bekannten Gründen hielt ich es für eine gute Idee, mit Weiß eine Hauptvariante der modernen Benoni-Verteidigung anzustreben. Zum Glück war Stefan Lindemann nicht anwesend, der hätte mir wahrscheinlich erklärt, dass der Trick, mit dem Schwarz einen Bauern auf h3 gewann, seit den 70er Jahren bekannt ist.
An 5 opferte Dirk in einem Königsinder sehr früh einen Bauern und erhielt eine chancenreiche Stellung. Nach eigener Aussage hätte er mit genauerem Spiel seinen Vorteil in einen vollen Punkt verwandeln können, am Ende ergab sich dann ein Remis.
An 6 spielte Tom einen Sizilianer, in dem Schwarz früh mit h5-h4 am Königsflügel vorging. Warum er verloren hat, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis, ich glaube, er sprach davon, dass er einen Bauern eingestellt hat.
An 7 durfte Levi gegen den Großmeister Jakob Meister antreten, der ähnlich wie unser Großmeister immer Stellungen abseits der bekannten Pfade anstrebt. Levi setzte sich gut zur Wehr und erreichte am Ende ein Remis in einem Turm-Springer-Endspiel.
An 8 stand Justus nach meinem Eindruck immer etwas unter Druck, konnte aber in einem Schwerfigurenendspiel einen Bauern erbeuten, der den schwarzen Freibauern auf der e-Linie kompensierte. Auch hier ergab sich ein Remis.
Endergebnis: Vier Remisen, zwei Niederlagen und zwei Siege, also ein 4-4 mit Möglichkeiten für beide Mannschaften, den Wettkampf zu gewinnen.

Am Sonntag gab es wieder Brötchen, Äpfel und Bananen und erneut einen Kampf auf Augenhöhe gegen Rotation. Auch hier wieder eine kurze Beschreibung aller Partien, dieses Mal kann ich aus gleich nachvollziehbaren Gründen die chronologische Abfolge der einzelnen Partien wiedergeben.
Als Erstes endete meine Partie nach 10 Zügen mit einem wohlverdienten Remis, getreu der alten russischen Schachweisheit, dass man nach zwei Niederlagen ein Remis einstreuen sollte, um den negativen Lauf zu stoppen.
Tom ist anscheinend ebenfalls Anhänger der russischen Schachschule, denn auch er einigte sich mit seinem Gegner schnell auf ein Remis.
Anschließend gewann Frederick eine sehr schöne Partie, die einen gewissen Lehrbuch-Charakter hatte, was das geduldige Vorgehen in leicht besseren Stellungen angeht, in denen der Gegner über keinerlei Gegenspiel verfügt. Frederick hat jetzt 3,5 aus 4 gegen einen ELO-Schnitt von 2413 - und er stand auch in der Partie in der ersten Runde, die Remis endete, besser.
Die nächste beendete Partie war die von Dirk, der sich in einer sizilianischen Struktur gegen das Läuferpaar und den Vorstoß d6-d5 wehren musste, was ihm nicht gelang.
Zwischenstand damit 2-2.
Bei den nächsten beiden Remisen bin ich mir bzgl. der Reihenfolge nicht mehr ganz sicher. Unabhängig davon war das Ergebnis in beiden Fällen aus meiner Sicht in Ordnung, sowohl Justus als auch Sergey ließen nicht viel anbrennen.
Beim Stand von 3-3 spielten dann noch Levi und Joa. Levi stand nach der Eröffnung besser und erreichte ein vermutlich vorteilhaftes Schwerfigurenendspiel mit drei Freibauern am Damenflügel. Schwarz hatte nur einen Freibauern auf der e-Linie, allerdings mit vier gegen einen Bauern auf dem Königsflügel den deutlich sicheren König, was am Ende den Ausschlag gab.
Joa stand von Anfang an unter Druck. Er konnte sich im Turm-Läufer-Endspiel zumindest rein optisch befreien, dann entschied allerdings der aktive weiße König die Partie zugunsten von Weiß.
Am Sonntag gab es also wieder vier Remisen, aber nur einen Sieg bei drei Niederlagen, also eine 3-5-Niederlage.

Was bleibt als Fazit dieses langen und anstrengenden Wochenendes?

1) Der LSV kann in der zweiten Bundesliga durchaus mithalten, der Klassenerhalt wird aber trotzdem nur schwer zu erreichen sein.

2) Die Idee, die Mannschaft grundlegend zu verjüngen, war eine sehr gute, was auch durch den Blick auf die Einzelergebnisse verdeutlicht wird: Die beiden jüngsten Spieler Frederick und Levi haben bisher die meisten Punkte geholt.

3) Yvonne und Lars Malinowsky sind nicht nur als Fans ihrer Kinder, sondern auch als Tresenwirte ein sehr willkommener Gewinn für unseren Verein - vielen Dank für Euren Einsatz!

4) Die zweite Liga legt jetzt eine zweimonatige Pause ein. Zeit genug also, um eventuelle Wunden zu lecken, neue Eröffnungsvarianten zu studieren und den nächsten Anlauf vorzubereiten, weitere Punkte zu sammeln.