Auf nach Greifswald. Dieses Jahr haben wir uns entschieden nur bei der U16 in Greifswald eine Mannschaft teilnehmen zu lassen. Die Unsicherheiten im Vorfeld waren wegen Corona groß, trotzdem, ganz auf Schachveranstaltungen zu verzichten ist keine Alternative. Also startete die U16 mit Joa Max Bornholdt, Lisa Sickmann, Frieder Poetzsch-Heffter und Boris Monakhov am 09.09. mit Schulfrei ausgestattet und einer Ladung Spielmaterial nach Greifswald. Bei der Ankunft fanden wir eine sehr schöne Anlage "MaJuWi" vor, eingebettet in Hafen und Strand, mit großer Spielhalle, Tischtennis und anderen Freizeitangeboten und gutem Wetter. Zimmer waren reichlich vorhanden, so dass sich jeweils nur 3 Personen ein 6-Bett Zimmer teilen mussten. Während die Jugendlichen erstmal den Strand erkundeten, absolvierte ich die Pflichtveranstaltung der Betreuersitzung. Vorbildlich organisiert, kurz und schmerzlos. Die erste Runde war auch schnell ausgelost.

Gesetzt waren wir auf Platz 10 von 14 und damit war der Fokus bereits klar: hier steht der Spaß im Vordergrund, beim Schach wird dazugelernt, nicht ein Preis gewonnen.

Bevor ich weiter unten die einzelnen Runden schachlich revue passieren lasse, hier schon mal ein Fazit für den schnellen Leser:

Die Mannschaft, Joa, Lisa, Frieder und Boris, hat sich wacker geschlagen gegen viele favorisierte Gegner und sind am Ende genau auf dem Setzlistenplatz 10 ins Ziel gekommen. Ein Ausflug nach Greifswald, Pizzeria, Tischtennis, und was sonst neben Schach noch Spaß macht, kam nicht zu kurz. Ich hoffe das Turnier hilft, damit der Spaß am Turnierschach zurück kommt und die Vor- und Nachbereitungssitzungen bleiben im Gedächtnis.

Ein Dank auch an die Turnierorganisation: Das war unter schwierigen Bedingungen vorbildlich organisiert. 

Turnierseite: https://www.greifswaldersv.de/wiki/pmwiki.php?n=NVM2020u16.Startseite

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Die erste Runde brachte uns einen übermächtigen Gegner, DWZ 1900 im Durchschnitt -- da sind wir (noch) nicht. Bemerkenswert ist Joa´s Partie:Nach dem 38. Zug von Schwarz hat Joa´s Gegner seinen König in ein Mattnetz in der Brettmitte manövriert: 

Mit präzisem Spiel schnappt die Falle zu: 39. a5, 40. f4 und 41. Te5# . Joa macht leider den 2. Zug vor dem 1. und das Spiel wird auf den Kopf gestellt. Jetzt kann man Joa mit Minusfigur kämpfen sehen, was mit einem Remis belohnt wird, und zum Glück wartet die Essensausgabe auf die beiden, die die Mittagspause durchgespielt haben. Die anderen Spiele im kurzen Durchlauf: Lisa kommt ein Bäuerchen nach ausgeglichener Eröffnungsphase abhanden. Das reicht bereits bei diesem starken Gegner für den der Rest dann bereits "Sache der Technik" ist. Frieder schwächt sehenswert sein Feld f3 mit 11.g4 . Sein Gegner nutzt dies zu allerlei Drohungen mit Abzügen und Springergabeln und macht früh den Punkt klar. Boris wird in der Eröffnung überrascht. Es folgte eine Lehrstunde im CaroKann. (0,5 - 3,5)

Die 2. Runde am Nachmittag ist dann das glatte Gegenteil und macht den Vormittag vergessen:
Joa fängt einen weißen Springer ein, der sich verlaufen hatte (Zug 23). Lisa steht nach der Eröffnung mit Mehrbauern glatt auf Gewinn, kann dies aber technisch (noch) nicht verwerten. Remis geht in Ordnung. Frieder hat ein bisschen Glück und setzt seinen Gegner trotz Minusfigur Matt. Boris verschafft sich 2 verbundene Freibauern am Damenflügel und schaukelt die Partie nach Hause. (3,5 - 0,5)

Ab der 3. Runde gehen die Kämpfe viel knapper aus.
Joa spielt seinen Gegner mit den Schwerfiguren schwindelig: neben dem Gewinn den Joa wählt gab es noch eine hübsche Alternative:

Die beteiligten Menschen inklusive Betreuer waren ahnungslos, der Computer zeigt sofort das hübsche Damenopfer 37. Dxg7 Txg7 38. Tgxg7 Ke8 39. Txe7 Kd8 40. Ta7 mit Unvermeidbarem Matt. Das ist reif fürs Taktikbuch.

Lisa verliert den Faden nach völligausgeglichener Eröffnung im 24. Zug und übersieht danach eine Springergabel. Schade, da war mehr drin. Frieder folgt 12 Züge lang der Vorbereitung mit sehr guter Stellung. Dann folgt ein Springereinschlag auf e4, der bei bestem Spiel widerlegt werden kann:

z.B. mit 19. S5h4 behält Weiß die Oberhand. Frieder öffnet seinem Gegner die g-Linie und gerät in einen unwiederstehlichen Angriff.
Boris muss einige bange Momente in seiner Partie überstehen, erreicht aber noch ein Remis. (1,5 - 2,5)

Runde 4 zeigt nochmal ein 1,5 - 2,5 das nicht nötig war:
Joa gewinnt nachdem alle seine Figuren gut aus den Startlöchern kommen, sein Gegner im 18. Zug bereits einen Springer auf a2 "parkt" und irgendwann die schwarzen Drohungen übermächtig werden. Lisa spielt sehr ambitioniert, übersieht aber 20. .. La4 mit Qualitätsverlust. Auch dieser Gegner lässt sich den Punkt danach nicht wieder entreißen. Schade, dass Frieders Partie heute nicht von Erfolg gekrönt wurde. In einem Endspiel mit Mehrbauern, sehr gut herausgespielt von Frieder, ist hier der kritische Punkt:

Achtung Pattfalle: auf 51. Lxb5 ist Sxb5 Patt! Stattdessen gewinnt aber auf 51.Lxb5 51. .. Sc2 mit der Drohung Se3 und f1D . Nach Lc6+ und Remisangebot seines Gegners, nahm Frieder nach einem langen Arbeitstag zu früh das Angebot an. Zwei Partien jeden Tag zehrt an den Kräften und Nerven.
Das gilt auch für Boris, der zwischenzeitlich mit 17. Dg3 überraschend die Taktik für sich arbeiten lassen konnte.  

Eine Runde der ausgelassenen Chancen (1,5 - 2,5)

Mit Runde 5 sind wir zurück im Spiel:
Joa bekommt es mit einem Orang Utan zu tun. Ich habe die Details nicht verfolgt, 20. .. Sxe3 macht alles klar. Lisa hat Probleme in der e-Linie, die ihr Gegner beherrscht.

Gerade nachdem Schwarz scheinbar mit De7 noch mehr Druck macht, packt Lisa 21. .. Sxf4 aus und kann alles zum Remis abwickeln -- vielleicht wäre sogar noch mehr drin gewesen...
Frieder hatte ebenfalls eine Remisstellung in der Tasche, bis leider 32. .. Ke6 den weißen König in die Stellung hinein lässt. Stattdessen 32. .. g5 hält leicht remis.
Boris ist an diesem Morgen der Matchwinner. Er sammelt mit 23. Sxg5 reichlich Material ein. (3 - 1)

Der Nachmittag mit Runde 6 zeigte Ermüdungserscheinungen:
Joa spielt sicher gegen seinen bis dahin stärksten Gegner. Nach 31. ..Lh3 dreht sich das Spiel:

Joa hätte sich mit 32. Lb3 großen Vorteil am Damenflügel verschaffen können. Stattdessen folgte 32. Ta8 wonach Ta4 eine tödliche Fesselung des Lc4 erlaubt und der geplante Bauerngewinn mit 33.Txa6 wegen der Taktik 33. .. Txc4 und 34. .. Lf1 nicht funktioniert.
Lisa konnte nur mit Mühe Remis halten nachdem sie zunächst einen Bauern hergegeben hatte -- aber nach einigem Kampf konnte ihr Gegner dies nicht verwerten.
Auch Frieder kam nicht über ein Remis hinaus, nachdem er zwar einen Bauern weniger hatte, aber durch seinen guten Springer nie in Verlustgefahr war.
Der schwarze Nachmittag war komplett als Boris in aussichtsreicher Stellung 23. Lf4 übersieht. Das lässt sich sein Gegner nicht entgehen. (1 - 3)

Damit musste in der letzten Runde ein Sieg her, um nicht ganz unten in der Tabelle zu landen.
Die 7. Runde am Sonntag morgen bringt dann nochmal mehr Spannung als erwartet.
Ein Unfall an Joas Brett direkt nach der Eröffnung war so nicht erwartet. Weiß findet 21. Sxg5 was aufgrund einer Mattdrohung viel Materialgewinn nach sich zog..
Lisa hatte beste Chancen, konnte aber in Zeitnot im letzten Zug vor der Zeitkontrolle nicht 

Dc2! mit Damengewinn finden. Die Stellung ziert jedes Taktikbuch. Die letzten beiden Bretter machten dann aber nochmal alles klar für den LSV: Boris erreicht ein Matt schon nach 24 Zügen, worauf beim Stand von 1,5 - 1,5  die letzte Partie von Frieder das Match entschieden wird.
Über 60 Züge Kampf und nach anfänglich einer Minusfigur kämpft sich Frieder zurück und kann mit seinen 4 Bauern gegen einen Turm gewinnen.

Damit ist der 10. Platz von 14 erreicht. Auch schachlich ein versönlicher Abschluss.