Ich schreibe diese Zeilen im stillen Beisein meines Zimmerkollegen und vermeide damit die unangenehme Stille mangelnder zwischenmenschlicher Kommunikation.
Letzte Woche fuhren 11 Vertreter des Lübecker Schachvereins nach Magdeburg, nahmen Pokale mit und hinterließen eine blaue Softshelljacke. Mit dabei waren aus der u12 Justus Sommer, Thore Rosin, Frieder Poetzsch-Heffter, Hanno Hellenbroich und Adrian Kubiak sowie aus der u14 Niklas Senechal, Mattis Jannsen, Robert Matinyan und Boris Monakhov.
Dies ist der Bericht der Norddeutschen Vereinsmeisterschaft (NVM) in Magdeburg.
Los ging das Turnier – angelehnt an einige andere Turniere - mit einer ersten Runde. Diese fand am Mittwoch, einem Tag nach der Anreise um 8.30 statt. Diese Runde ging für uns gegen den Favoriten und späteren Turniersieger aus Berlin. Trotz eines starken Remis, in dem Justus seinem Gegner zeigte, warum auch Theorie, die über den dritten Zug hinausgeht sinnvoll ist, zeigte sich am Ende, warum die Berliner Favoriten waren und wir eben nicht.
Der angestaute Ärger wurde in der Nachmittagsrunde dann gegen den SV Werder Bremen (ja, der Verein mit dem grünen Fußballteam) in einem erschütternd einseitigen 4-0 frei, was mir im Nachhinein ein bisschen leidtat, weil der Leiter dieser Mannschaft mein – wie sich herausstellte – sehr angenehmer Zimmerkollege war.
Aus Gründen, die aus weiteren Gründen nicht genannt werden können, wünscht sich die u14-Fraktion keine Beleuchtung einzelner Rundenergebnisse und so bleibt mir nur zu sagen, dass die Mannschaft sich 4 Teilnehmerpokale sicherte. Dabei sein ist schließlich alles.
Die u12 lieferte weiter erfolgreiche Ergebnisse und unter dem Motto „gut aussehen, gut fühlen, gut spielen“ wurde auch den erfolgreichen Gegnern mit geschlossenen Mündern, gewaschenen Haaren und geraden Rücken die Show gestohlen. Das resultierte am zweiten Tag in zwei 2-2s (so viele Zweien!), von denen das letztere durch einen fünfstündigen Kampf, den Justus durch nahezu perfektes Defensivspiel gewinnen konnte, gesichert wurde. Ich bin mir sicher, dass meine Schrittzahl während dieser Runde im fünfstelligen Bereich lag.
Danach kam dann auch schon der letzte Tag vor der Abreise und damit die letzte Doppelrunde. In der ersten dieser beiden Runden waren zwar punktetechnisch keine großen Erfolge zu verzeichnen, aber immerhin hatten wir etwas zu lachen, als wir uns das Endspiel zwischen Frieder und seinem Gegner angucken durften. Hinterher fasste ich den Plan, einen Antrag zu stellen, dass Turmendspiele in der u12 in Zukunft per Würfeln entschieden werden. Die zweite Runde lief dann aber besser und wir machten uns mit einem soliden 3-1 in der u12 und ganz viel Milchreis auf in den Endspurt.
Der letzte Tag fing für mich an, als es um 5 Uhr an meiner Zimmertür klopfte. Als ich öffnete, stand vor mir ein Kind aus Bremen und erklärte mir, dass auf ihrem Zimmer ein Teamkamerad sein Abendessen noch einmal rückwärts genoss. Da mein Wecker um 6 klingeln sollte, lohnte sich Schlafen danach nicht mehr, weil mein Körper fürs bequemeEinschlafen in der Jugendherberge einfach zu lang ist.
Nachdem wir dann unsere Koffer gepackt und gefrühstückt hatten, ging es in die letzte Runde, in der wir uns ein letztes Mal beweisen konnten. Witziger Weise – und ich war irgendwie der einzige, der das lustig fand – spielten wir in der u12 und in der u14 in der letzten Runde gegen den SK Johanneum Eppendorf. Zwar hatte die u14 außer einem starken Remis von Mattis keinen Erfolg, dafür gewann die u12 Mannschaft 3-1. Frieder hatte nämlich nobler Weise Mitleid gekriegt (er sei gepriesen und sein Vorbild erleuchte uns) und gab in klar gewonnener Stellung einzügig einen Turm.
Und das bringt mich zum letzten Teil des Berichts.
Als Betreuer und Teamleiter sieht man von Zeit zu Zeit Dinge auf den Schachbrettern der Spieler, die Emotionen verschiedenster Art hervorrufen. Manchmal ist es lustig oder verwirrend und oft viel zu spannend.
Ein paar dieser skandalträchtigen Züge und Stellungen habe ich hier aufgelistet:
Meine persönlichen Top 5 Patzer der NVM
(ohne Mattis Lf2, weil die Partie falsch im Internet und das Partieformular verschwunden ist und ohne Niklas e6, weil ich mich da verrechnet habe)
Platz 1: Frieder Poetzsch-Heffter – Conrad Kruhl 0:1
In dieser Gewinnstellung Stellung entschied sich weiß, 24. Tg5 zu spielen, schließlich ist der Läufer auf e7 ja gefesselt und der Springer auf d5 wird eingesammelt.Nur leider schlug der Läufer mit Schach...
Platz 2: Hanno Hellenbroich – Didem Karanfil 1:0
Nach 30....Tf3+ hat der Weiße drei mögliche Züge mit seinem König, von denen zwei den sicheren Sieg bedeuten. Nur 31. Kg2 gab Schwarz die Möglichkeit mit 31....Sf4+ den halben Punkt mittels Dauerschach zu erreichen. Aber das hat auch die Gegnerin nicht gesehen.
Platz 3: Frieder Poetzsch-Heffter – Bretzel Noah 1:0
Die bereits im Text erwähnte Stellung ist ein fast schon sicheres Remis für den Schwarzen. Das ändert sich allerdings schlagartig nach dem erfolgten Zug 57....Txe4.
Platz 4: Bahri Murad Ali – Frieder Poetsch-Heffter ½:½
Mit 6....Se5 brachte Frieder Schwung in meinem Kreislauf, weil er übersehen hatte, dass nach 7. Sxe5 auf f7 Matt droht. Bestraft hat ihn der Schwarze allerdings nicht dafür.
Platz 5: Hanno Hellenbroich – Georg Kamil Spinker ½:½
Diese Stellung steht exemplarisch für viele andere taktische Möglichkeiten, die in dieser Partie zu finden war, ist aber meiner Meinung nach die einfachste. Mit Txd7 kann hier nämlich der Turm und damit die Partie gewonnen werden, allerdings kam der weiße Turm hier nur bis 23.Td6
Danken möchte ich im Namen der Mannschaften und der Betreuer der Haukohl-Stiftung, ohne die diese wundervolle und lehrreiche Zeit nicht möglich gewesen wäre.