Grenke Chess Open - Das größte europäische Schachturnier

Angereist war ich frohen Mutes in Karlsruhe, denn im Vorjahr hatte ich gut vorgelegt (6,5/9, 28. Platz von 530 Teilnehmern). Wieder die gleiche Ferienwohnung wie im Vorjahr gebucht, Fahrräder mitgenommen, denn Karlsruhe ist Deutschlands Fahrradstadt, wie man kürzlich in den Nachrichten hören konnte. Diesmal sogar ein paar Tage früher angereist um wirklich entspannt mitspielen zu können. Bei kaltem Wetter angekommen, hatte ich letzten Endes zu warme Kleidung eingepackt. Nach zwei Tagen in Karlsruhe brach der Sommer aus. Und dies noch vor Beginn des Turniers. Ansonsten ist Karlsruhe als Fächerstadt, Sitz des Bundesgerichtshofes und der Bundesverfassungsgerichts bekannt.

Auf Grund meiner nur mittelmäßigen Elo durfte ich, wie im Vorjahr, im B-Open starten und mich nicht mit den Titelträgern (A-Open) messen. Daneben gab es noch das C-Open, welches ich überhaupt nicht verfolgt habe.

Zum Verlauf, hauptsächlich im B-Open:

Aus meiner Sicht sind die ersten (beiden) Runden die kritischsten.  Man "muss" gewinnen, weil die Gegner nominell schwächer sind. Dass das nicht so einfach ist, sah man gleich in der ersten Runde. An den ersten 10 Brettern im Schweizer System wurden nur 3 Favoriten im B-Open Ihrer Rolle gerecht.

Zu Beginn der Runde 1 am grünen Donnerstag lief an meinem Brett Jussupow vorbei. Ein gutes Zeichen, oder? Letztes Jahr lief er doch in der letzten Runde an meinem Brett vorbei, da hatte ich gewonnen, erinnerte ich mich.

Die ersten beiden Spiele waren eher ruhig angelegt, obwohl ich in Runde zwei mit Weiß ein Gambit versucht hatte. "Sit and wait" war die Devise. Beide Partien habe ich dann, aus meiner Sicht überzeugend, im Endspiel gewonnen.

Die dritte Runde dann mit Schwarz gegen einen Gegner mit Elo 1920. Italienisch, mein Gegner behandelte die Eröffnung aus meiner Sicht etwas stiefmütterlich, die Pferde gingen bei mir durch, ich opferte (zu unrecht) eine Figur gegen zwei Bauern für Initative. Mein Gegner verbrauchte viel Zeit, konnte sich aber verteidigen, gewann später sogar noch eine Qualität. Man sollte meinen, dass das reicht, aber ich hatte eine offene Linie und konnte mehrzügig mit Opfer die Qualität zurückgewinnen. Das alles bis zum 30. Zug. Letzten Endes hatte ich dann eine Figur gegen einen Bauern weniger in merkwürdiger Stellung. Die Opferorgien hatten meinem Gegner Zeit ohne Ende gekostet, er hatte im 32. Zug weniger als zwei Minuten auf der Uhr, ich bot Remis an, was er dann auf Grund der Zeitnot auch annahm.

In Runde 4 dann gegen einen Schweizer mit italienischem Namen (Elo 1899) mit Weiß.

Ich durfte erleben, dass er das Gambit, welches ich spielte, nicht kannte. Spannende Kampfpartie, die ich dann gewonnen hatte.

Bis dahin lief es besser als im Vorjahr, dort hatte ich in Runde 4 den ersten vollen Punkt abgegeben und damals 2,5/4. Jetzt also 3,5/4. So kann es weitergehen, dachte ich mir. Oben schön mitspielen, mal einen Blick auf Magnus, Caruana, Anand und co werfen und sich freuen.

In Runde 5 mit Schwarz gegen einen Gegner mit Elo 1915. Es kam Königsindisch auf dem Brett mit h3. Die Theorie kannte ich schlecht und ging sang und klanglos unter... Ich hab mir anschließend ein aktuelles Königsindisch-Buch gekauft... Mein altes (29 Jahre alt) war offensichtlich zu alt.

Runde 6 mit Weiß gegen einen Gegner mit Elo 1932. Es kam Caro-Kann aufs Brett. Caro-Kann soll man als Schwarzer schon können, doch er bekam seinen König nicht aus der Mitte raus. Ich schob ihn platt... Allerdings hatte die Partie einen Schönheitsfehler. In seiner Zeitnot "überkam" mich ein "Fieber" und blitzte mit. Ich sah sogar die Figuren undeutlich. Anstatt, dass ich einfach seine Dame mit einer Springergabel abhole, setzte ich ihn Matt, es war aber nicht Matt, sondern ein Einsteller der Dame (!) gegen eine Figur. Zum Glück ging anschließend die Gabel immer noch, ich wickelte ins Endspiel ab (drei Bauern mehr). Nach der Zeitkontrolle dachte ich nur, "was mach ich eigentlich für ein Schwachsinn", mein Gegner blitzte immer noch, ich schnappte mir mein Portemonnaie, sagte nur, ich wolle mir etwas zu trinken holen. Dies tat ich auch um "runterzukommen". Ich kam an das Brett zurück, mein Gegner baute die Grundstellung auf, er hatte aufgegeben...

Runde 7: Eine Partie gegen einen 17-jährigen mit Elo 1883. Ich hatte Schwarz. Er spielte eine merkwürdige Eröffnung, ich tauschte alles ab, was ging. Kostete viel Zeit. Im Endspiel hatte ich eine sichere Stellung erreicht, verrechnete mich aber um ein Tempo, wollte gewinnen, und verlor... Ein Remis hätte ich erreichen können.

Runde 8.: Wieder gegen einen Schweizer mit Weiß. Auch er kannte das Gambit nicht und das bei einer Elo von 1923. Ich sah für Ihn keine Verteidigung mehr, er hat soeben noch die einzigen Züge gefunden, die seine Stellung zusammenhielten. Er selbst meinte nach der Partie, dass er zwischenzeitlich dachte, dass er den zwanzigsten Zug nicht erleben würde...

Na ja, es hielt gerade eben so, ich machte den Sack nicht zu und produzierte im 41. Zug einen Einsteller und gab auf. Remis oder Gewinn wäre drin gewesen...

Runde 9.: Mal gegen einen nominell schwächeren Gegner, Elo 1706, mit Schwarz. Es kam das Evans-Gambit auf das Brett. Wie ging die Theorie nochmal? Ich erinnerte mich an GM Gustaffson auf meiner Eröffnungs-DVD. Er sagte, wenn man nicht mehr weiß, wie es geht, einfach den Bauern nehmen und dann den Läufer auf e7 zurück. "Ist zwar feige aber gut". Ich gab auch relativ schnell den Bauern zurück. Dadurch hatte ich gefühlt eine leicht bessere Stellung. Ich wickelte ins Endspiel ab (Weiß S+S, ich S+L) und gewann einen Bauern, lies einen einfachen Gewinnzug aus, aber den Mehrbauern brachte ich sicher durch. 70 Züge!

Fazit:

Ein schönes Turnier bei bestem Wetter in einer angenehmen Atmosphäre. Den Vorjahreserfolg konnte ich nicht ganz wiederholen. Insbesondere habe ich in der 7. und 8. Runde "gepatzt" und Null Punkte in Folge erzielt, daher "nur" 5,5/9 Punkte, 145. Platz von 797 Teilnehmern. Bei Setzlistenplatz 221 nicht schlecht, insbesondere, weil ich tatsächlich einen höheren Gegnerschnitt hatte als im Vorjahr. Dies lag insbesondere an den Runden 3-8, dort hatten alle Gegner um die 1900 Elo.

Leider kann ich zu den anderen Teilnehmern des LSV wenig sagen. Jedes Mal, wenn meine Partie beendet war, waren die Partien von Alva Glinzer und Freia Svane bereits beendet, so dass ich nicht kibitzen konnte. Tatsächlich ist es so, dass ich Alva das ganze Turnier über nicht gesehen habe, kein Wunder bei ca. 2.000 Teilnehmern. Und wir saßen nie nah beieinander. Allerdings hatte Alva das "Pech" gleich in Runde zwei gegen auf einen Favoriten mit Elo 1984 zu treffen. Danach war sie im Fahrstuhl drin und hatte erst ab Runde 7 wieder mit nominell starken Gegnern zu tun....

So hieß es nach den Partien in der A-Gruppe kibitzen, Rasmus und Frederik hatten die Partien meistens noch nicht beendet, Tom und Alexander haben auch mitgespielt, die Partien waren aber meistens auch schon beendet. Ab Samstag abend konnte man bei den Grenke Chess Classic zusehen. Das Endspiel von Magnus gegen Vallejo Pons war wirklich spannend, sehenswert und lehrreich.

Alva hat gut abgeschnitten (auch 5,5/9, 192. Platz) und auch Freia dürfte zufrieden gewesen sein mit 3/9.

Im A-Turnier (904 Teilnehmer!) lief es für die Lübecker auch recht gut. Wenn man bedenkt, dass man sich dort zwischen GM und IM tummeln darf. Rasmus, den ich immer noch als Lübecker zähle wurde 17., Frederick 116. mit 6/9 und auch er lies dort Großmeister und andere Titelträger hinter sich. Tatsächlich hat er gegen zwei GM jeweils Remis gespielt und drei IM als Gegner gehabt. Davon auch zwei Remis und nur eine Partie verloren! Auch Alexander Rieß spielte ein super Turnier, 130. Platz ebenfalls mit  6/9. Last but not least: Tom Linus Bosselmann. Mit 3/9 hat er im A-Open erfolgreich teilgenommen, dabei hätte er auch stattdessen im B-Open um das Preisgeld mitspielen dürfen. Aber er hatte die Wahl und hat sich stattdessen mit der Creme de la Creme gemessen.