Eine Adventsgeschichte

Zum ersten Mal in dieser Saison spielten wir in Bestbesetzung, also in der Aufstellung Alexander, Martin, Frederik, Tigran, Kevin Kololli und Tom. WAS? Kololli spielt an Brett 5? Ihre Augen haben Sie nicht getäuscht, werter Leser. Dieses Jahr haben wir nicht nach Spielstärke, sondern nach DWZ aufgestellt.

Die Turaner konnten bei ihrer Fahrt nach Lübeck noch nicht ahnen, was sie erwartet. Sie erschienen mit Daniel Kopylov, Artur Organessjan, Anna-Blume Giede, Anna-Lena Schramm, Enno Striebeck und Taron Kchachatryan.

Aber nun zum schachlichen Teil:

Alle Partien begannen zunächst ruhig. Nur bei Tom an Brett 6 zeichnete sich im Evans-Gambit schnell ab, dass dies kein Freundschaftwettkampf wird.
Mein Gegner hatte dies wohl gesehen und schlug mit seinem Springer einen gedeckten Bauern in meiner Stellung. Wie reagiert man am besten auf solch ein Ereignis?
Ich habe gelernt, zuerst mit meinen Figuren zu reden. Nicht, um zu fragen, welche Figur schon zufrieden ist und auf welches Feld sie gerne gehen würde. Nein, ich rede mit meinen Figuren, um das Spiel etwas spannender zu machen: Die Figuren erhalten Namen, eigene Persönlichkeiten und eigene Geschichten. Am besten wäre wohl der ruhige Zug Lc6 gewesen, der Weiß vor große Probleme stellt. Aber für meine Figuren war das nicht genug. Der Tod ihres Kameraden auf d6 sollte nicht umsonst gewesen sein. Sie wollten Blut sehen. Und so schwor jeder meiner Soldaten, nicht zu ruhen, bevor die turanische Festung brennt. Ich zog also exd6 und gab damit meinen Turm. Als ich im 37. Zug auch meinen zweiten Turm opferte, hatte dieser ein breites Lächeln im Gesicht. Ich konnte seine Freude jedoch nicht teilen: Zu viele meiner Truppen waren gefallen.

Mein Sieg brachte uns nicht nur den ersten Punkt ein, sondern brach auch die Moral unserer Feinde. Als nächstes konnte Tigran seine Partie gewinnen: Er hatte seit der Eröffnung Druck auf seine Gegnerin ausgeübt und schließlich eine Figur gewonnen. Wenig später setzte er sie dann auch Matt.

Einige Minuten später war Tom fertig. Er hat den gegnerischen Heeresführer erfolgreich im Zentrum festgehalten und die Mobilisierung der gegnerischen Truppen am Damenflügel verhindert. Es dauerte dann nicht mehr lange, bis Tom entscheidend angreifen konnte.

Bei dem Stand 3-0 hatte Tura noch theoretische Chancen auf ein Unentschieden, zumal keines der übrigen Bretter klar für uns entschieden war: Frederik hatte zwar Druck, aber noch keinen entscheidenden Vorteil. Bei Alexander war die Stellung sehr unklar, auf den ersten Blick schien sein Gegner Daniel Kopylov sogar die besseren Chancen zu haben. Und Martins Stellung war ein Wrack. Nur mit größter Mühe konnte er die positonellen Schwächen ausgleichen, die er mit seinem ersten, törichten Vorstoß 1.f4 selbst verursacht hatte. Ich hielt die Existenz von Umpa Lumpas für wahrscheinlicher als Martins Remischancen.

Aber Frederik konnte dann doch relativ schnell in die gegnerische Festung eindringen, einen Bauern gewinnen und die Partie gewinnen. Daniels Truppen prallten an Alexanders Festung ab wie ein Vogel, der gegen ein Fenster fliegt. Alexander sammelte eine Figur ein und konnte den Punkt souverän nach Hause fahren.

Beim Stand von 5-0 blieb nur noch Martins Partie. Für ihn schien alle Hoffnung verloren zu sein. Doch dann wurde mir seine Strategie klar: Er orientierte sich an Muhammad Ali im Rumble in the Jungle. Also machte er das Brett zu einem Dschungel und ließ seine Figuren wie Affen an Lianen über das Brett schwingen. Martins Bonoboarmee erwies sich als effizient und zeigte dem letzten Turaner nur die Gnade eines schnellen Endes.

Die Turaner hatten an diesem Tag eine wichtige Lektion gelernt: Lübecker warten nicht auf ihre Geschenke, sie machen sie sich.

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