Triumph im Bärchenzimmer

Eckernförde ist ein verträumtes, idyllisches Städtchen an der Ostsee. Besonders gut kann man das an der Bürgerbegegnungsstätte, dem Austragungsort des Landesligakampfes zwischen dem Schachclub Eckernförde und unserer Zweiten erkennen. In diesem Gebäude sind die einzelnen Räume nicht etwa durch Zahlen, Ziffern oder technische Begriffe gekennzeichnet. Nein, jeder Raum hat seinen eigenen nach Harmonie und Eintracht klingenden Namen. Wir waren etwas früh dran, die Gastgeber noch nicht da und so versammelten wir uns in einem Raum im Erdgeschoss, den wir für den mutmaßlichen Spielort hielten. Natürlich hatte auch dieser Raum seinen ganz speziellen Namen. Das Friedenszimmer! Das ging dann aber doch zu weit. Häkelkurs für Männer im Friedenszimmer? Na klar! Grüner Tee und glutenfreie veganische Plätzchen Werden im Friedenszimmer gereicht? Selbstverständlich, wo denn sonst? Aber einSchachkampf? Hatte nicht schon Gary Kasparov gesagt, dass Schach Krieg sei? Und hier nunsollten wir die klingen kreuzen? An diesem Hort des Friedens sollten Blut, Schweiß und Tränen in Strömen fließen? Wie sollte das gehen? Wo sollte das hinführen? Sieben schnelle Remisen und Ulrich Sieg spielt noch? Und Wie sollte man als Chronist, über die unvermeidlich zu erwartende Ereignislosigkeit berichten? Wie wäre wohl der Titel eines Buches, dass sich mit diesem Sachverhalt beschäftigen wurde?

Die Antwort auf diese Frage liefert vielleicht ein mittlerweile schon legendärer Dialog, den Ede einst auf einer Landeseinzelmeisterschaft mit einer des Schachspielens offenkundig nicht mächtigen Verkäuferin an einen Schachbuchstand führte. Ede: „ Ich bin auf der Suche nach einem Schachbuch.“„ Da sind Sie bei mir genau an der richtigen Adresse. Was darf es denn sein?“„ Ich suche das Buch die 30 langweiligsten Kurzremisen.“„ Einen Moment bitte, ich schau mal nach. Nein, das tut mir leid. Das Buch haben wir leider nicht vorrätig. Wahrscheinlich ist es ausverkauft.“„ Ach wie schade, Aber vielleicht haben sie ja den Fortsetzungsband die Zugwiederholung.“-„

Nein, hier seid ihr falsch.“Kai Krüger, seines Zeichens Vorsitzender und Mannschaftsführer von Eckernförde stand imTürrahmen.„ Wir spielen im ersten Stock.“„ Na Gottseidank“, dachte ich und überlegte während Ich die Treppen heraufstieg, wie wohl der Raum heißen würde in dem wir spielen sollten. Das Verdunzimmer? Die Gallipolistuben? Die Thermophyllenecke?„ Das Bärchenzimmer! Wir sind da.“Und so fügten wir uns in unser Schicksal. Auf der einen Seite die Gastgeber, Balou und seine Spießgesellen auf der Suche nach der verlorenen Gemütlichkeit und auf der anderen Seite wir, Paddington und seine Truppe, die offenkundig am falschen Bahnhof standen.

Das ganze wurde dann auch eine ziemlich zähe Angelegenheit. Dabei begann es gerade an meinem Brett doch recht vielversprechend. Ich hatte als Weißer aus der Eröffnung nichts heraus geholt und stellte mich schon auf langwieriges Lavieren ein, als plötzlich eine gegnerische Figur wild in meine Stellung krachte. Mangels Alternative nahm ich das Opfer sofort an und begab mich danach Intensiv auf die Suche nach dem augenscheinlich sehr verborgenen Sinn dieses Manövers. Kurze Zeit später beteiligte sich auch mein Gegner an dieser Suche. Irgendwie die falsche Reihenfolge. 1:0 nach etwas mehr als einer Stunde. Es folgte das obligate schnelle Remis von Ulrich Sieg, dass dem Kampf eine Innere Sicherheit und Stabilität gab. (Zitat Uli) Bis zur Zeitkontrolle gab es dann nichts Zählbares mehr. In der Partie zwischen Edmund Lomer und Detlef Pohl war ein spannendes Turmendspiele entstanden. Herr Lomer hätte zwei verbundene Freibauern bilden können. Dafür hätte Detlef sogar drei verbundene sein Eigen nennen dürfen. Allerdings wären die Bauern des Eckernförders schon recht weit vorangeschritten gewesen, was zu exzellenten Gewinnchancen geführt hätte. Herr Lomer war das vielleicht zu riskant und er entschied sich für einen sichereren aber auch weniger erfolgsversprechenden Gewinnversuch. Er bildete einen Freibauern den er einerseits zwar von hinten mit dem Turm unterstützte, der andererseits aber von Detlefs König sicher blockiert wurde. Das Remis war eigentlich offenkundig, Aber Herr Lomer hatte noch einige Tricks auf Lager und Detlef so gut wie keine Zeit mehr. So reichten sich am Ende Konfusion und Zeitüberschreitung die Hände und Eckernförde hatte ausgeglichen.

Danach Remis am Brett von Finn Tiedemann. Sein Gegner hatte als Weißer so ziemlich alles abgetauscht, was nicht bei drei auf den Bäumen war, um danach das so entstandene todremisige Endspiel stundenlang sinnlosen Gewinnversuchen zu unterziehe. Tigran brachte uns anschließend wieder in Führung. Er hatte gegen Kai Krüger eine Qualität gewonnen und verwertete diesen Vorteil technisch sehr akkurat. Doch die Freude währte nicht lang. Auch Bernhard Weber hatte durch eine taktische Finesse die Qualität gewonnen, aber dafür stand sein König doch etwas luftig. In Zeitnot fand Bernhard leider nicht immer die beste Verteidigung und konnte am Ende das Matt nicht mehr sinnvoll verhindern.

An dieser Stelle sehe ich mich gezwungen, einige Worte an den siegreichen Kontrahenten von Bernhard zu richten. Auch wenn ich weiß, dass es eine der Eigenarten des 21 Jahrhunderts ist, dass sich mittlerweile alle Dinge des Lebens im Gefühltmodus abspielen und jeder der bisweilen auf Ratio oder gar Konvention pocht misstrauisch beäugt wird, so möchte ich doch darauf hinweisen, dass in einer laufenden Partie Ächzen, Murmeln, Stöhnen, Grummeln und Kommentare wie „Nimm den!“nichts zu suchen haben.

Nachdem an Brett acht in der Partie zwischen Jan Plackmeyer und Rolf Möller nach strategisch wechselvollem Verlauf, bei dem aber nie das materielle Gleichgewicht nie verlassen wurde, Remis vereinbart wurde, erreichte die Spannung Ihren Höhepunkt. Das Spitzenbrett musste jetzt die Entscheidung bringen. Ullrich Krause hatte gegen Manfred Homuth im Endspiel einen Bauern mehr, aber neben jeweils einem Springer befanden sich auch noch die gefürchteten ungleichfarbigen Läufer auf dem Brett. Geradezu prophetisch war nun die Aussage von Ulrich Sieg zu dieser Stellung.„ Theoretisch ist das wahrscheinlich Remis. aber praktisch bei knapper Zeit und gegen den besseren Spieler kaum zu halten.“Quod erat demonstrandum.

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LL 2

LL 4 

Nach diesem Sieg steht uns hoffentlich ein geruhsamer Rest der Saison bevor. Fotos: J.-H. Plackmeyer