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Schmidt - Lindemann
Details
Stefan Lindemann
Veröffentlicht: 31. Oktober 2023
Zugriffe: 471
[Event "LSV II-LSV III"] [Site "Germany"] [Date "2023.10.29"] [Round "1.1"] [White "Schmidt"] [Black "Lindemann"] [Result "1-0"] [ECO "A00"] [PlyCount "95"] [EventDate "1991.??.??"] [SourceVersion "1"] [SourceVersionDate "2023.10.31"] [SourceQuality "1"] {Ich habe mich vor Jahresfrist aus einer Bierlaune heraus dazu überreden lassen, ein paar Runden in der Landesliga mitzumischen, " ganz gemütlich, kein Stress, natürlich kannst Du vorher remis machen." Ja, schön, das hat ja super geklappt, vielen Dank auch! Na ja, wenigstens gehört Harald zu den wenigen Leuten, mit denen man noch ganz gemütlich draußen eine Zigarette rauchen kann. Was wir denn auch getan haben: vor, während und nach der Partie, und in allen drei Phasen in steter trauter Zweisamkeit. Die Lust am Turnierschach habe ich nicht unbedingt wiedergewonnen, wohl aber die am Analysieren. Während ich jahrzehmtelang aus purer Denkfaulheit eher intuitiv und gemäß gesunder, positioneller Richlinien gespielt habe, mußte ich in der Nachbearbeitung feststellen, dass diese Herangehensweise in der heutigen Zeit möglicherweise nicht mehr ausreicht. Stockfish jedenfalls hat mir nach der Partie ziemlich gnadenlos aufgezeigt, dass Schach doch sehr viel konkreter ist, als mir jahrelang lieb war. Aber man sehe selbst:} 1. Nc3 {Und hier haben wir - neben den gemeinsamen Zigarettenpausen - schon den zweiten angenehmen Aspekt in der schachlichen Auseinandersetzung mit Harald: man kann am Samstag wahlweise in die Kneipe gehen, oder die acht Tore von Bayern München genießen oder sonst was machen. Eine Vorbereitung jedenfalls ist ungefähr so sinnvoll wie die Hoffnung auf den Wiederaufstieg des HSV.} c5 {"Definitiv die beste Antwort" - Harald} 2. d3 g6 3. g3 Bg7 4. Bg2 Nc6 5. f4 {in der Folge spielt Harald so eine Art Hybrid aus geschlossenem Sizilianer und Bird-Eröffnung. Jedenfalls lässt er auffällig lange den e-Bauern auf seinem Ursprungsfeld verharren. Objektiv ist das wahrscheinlich keine gute Idee, aber in solchen Kategorien denkt Harald einfach nicht. Ihm ist es viel wichtiger, seinen Gegner von Anfang an zu selbständigem Denken zu zwingen.} e6 6. Nf3 {Stockfish hätte Lc6: ziemlioh gut gefunden} Nge7 7. O-O O-O 8. Be3 d6 9. Bf2 Rb8 10. d4 {b6 Ist sicherlich spielbar, aber cd4: nebst d5 sieht einfacher aus} b6 11. Qd2 {in der Analyse dachten wir beide, dass e4 besser sei. Zumindest war uns nicht klar, wie Schwarz sich auf vernünftige Weise weiterentwickeln kann. Nicht so dem Computerprogramm, das ungerührt 11...e5 vorschlägt und einen hauchdünnen schwarzen Vorteil sieht. Wir hatten diesen Zug jedenfalls beide nicht auf dem Schirm, und selbst wenn, hätte ich mich vermutlich nicht getraut: man hätte ja soviel rechnen müssen...} cxd4 {Nach 11...d5 sieht stockfish den Schwarzen schon mit einer halben Bauernmehreit in Vorteil. Hier rächt es sich bereits, dass Weiß seinen Königsbauern so stiefmütterlich behandelt hat. Taktisch ist der Zug insofern gerechtfertigt, als nach zweimaligem Schlagen auf c5 der Bb2 hängt.} 12. Nxd4 Nxd4 13. Bxd4 Bxd4+ 14. Qxd4 d5 15. Rad1 Bb7 {Und jetzt springt die Stellungsbeurteilung erstmals auf leichten Vorteil für Weiß. Besser war 15...Sf5 16. Df2 La6 und Schwarz hält seinen leichten Vorteil fest.} 16. e4 dxe4 17. Nxe4 {So ein natürlicher Zug, und so ein dicker Bock! De5 oder Le4: oder Dd8: - alles war besser.} Bxe4 {Auch mir schien alles normal zu sein, und so machte auch ich einen "natürlichen" Zug. Nach 17... Dd4:+ 18.Td4: Sf5 19. Td3 (sonst Se3) La6 20. Sf6+ Kg7 21. Sd7 Ld3: 22. cd3: Tbc8 23. Sf8: Kf8: hat Schwarz deutlichen Vorteil. Ich finde, eine solche Variante kann man ohne weiteres sehen, sie ist nicht allzu komplex. Aber da ich mich ja von "gesunden positionellen Richtlinien" leiten lasse, dachte ich nur, dass der Springer angesichts meiner schwarzfeldrigen Schwächen schleunigst vom Brett muss. Und so habe ich auch kaum eine Minute über Le4: nachgedacht.} 18. Bxe4 Qc7 {Die Stellung ist jetzt vollkommen ausgeglichen.} 19. Qd6 Rbc8 20. c3 Qxd6 {Dafür gibt es keinen Grund. Der Damentausch ermöglicht nur die weiße Turmverdoppelung auf der d-Linie. Dramatisch ist das allerdings nicht: die Stellung befindet sich immer noch im Gleichgewicht.} 21. Rxd6 Rc7 {Der Zug ist spielbar, aber einfacher ist Tfd8 22. Tfd1 Td6: 23. Td6: Tc7 und es ist nichts los. Ich war zu diesem Zeitpunkt unbesorgt. Sicherlich: Weiß steht einen Tick besser, aber Schwarz hat keine Schwächen, und von einem weißen Turm auf der siebenten Reihe geht keine Gefahr aus. Im Nachhinein muss ich feststellen, dass Schach doch ein recht existentialistisches Spiel ist in dem Sinne, dass man vollkommen alleine am Brett sitzt und nie nie nie ein guter Geist erscheint, der einem zuflüstert:"Pass auf! Das ist eine Stellung, bei der es sich wirklich lohnt, dass man tiefer in sie hineinblickt." Wäre das geschehen, hätte ich möglicherweise den 24. Zug von Harald gesehen.} 22. Rfd1 h5 {Erst nach diesem Zug sah ich das ganze Drama. Stockfish springt nach einiger Zeit von +0.1 auf +2.0. Ich weiß noch deutlich, dass ich nach Tfd1 keine Ahnung hatte, was ich hier eigentlich spielen sollte. Irgendwas "Normales, es ist ja nichts los". Leider habe ich eine sehr kluge Maxime des russischen Schachtrainers Mark Dworetzki komplett vergessen: " Wenn Sie nicht wissen, was Sie spielen sollen, dann fragen Sie sich: Was würde mein Gegner spielen, wenn er am Zug wäre.".} 23. Rd7 Rfc8 24. Bb7 {Danach geht nichts mehr (eigentlich, aber dazu später). Statt 22...h5?? hätte ich Tfc8 spielen müssen. Nach 23. Td7 Kf8! 24. Lb7 Td7: 25. Td7: Tc5 steht Schwarz nicht schlechter.} Rxd7 25. Rxd7 Re8 26. Kf2 {Das wiederum ist zu langsam und vergibt einen großen Teil des Vorteils. Besser ist das direkte Le4 mit langanhaltendem Druck.} Kf8 {Nach Sf5 nebst Te7 kann Schwarz den Druck erstmal abschütteln. Weiß steht immer noch besser, aber die Vorteilsverwertung wäre deutlich mühsamer gewesen.} 27. Be4 {Besser ist La6} Nc8 {nutzt die weiße Ungenauigkeit nicht aus. Besser war a5 28. Tb7 Td8 29. Ke3 Td6} 28. Bc6 Ne7 29. Bb5 Ra8 30. Ke2 a6 31. Bd3 b5 32. Be4 Rb8 33. Rb7 Rc8 34. Rb6 Rc4 35. Kd3 Ra4 36. a3 h4 37. Bb7 g5 38. Rxa6 Rc4 39. Rb6 hxg3 40. hxg3 gxf4 41. Rxb5 Ra4 42. gxf4 Rxf4 43. b4 Nf5 44. Rxf5 {Hier sagte Harald: ich will es nochmal ein wenig spannend machen.". Vermutlich ahnte er nicht, wie recht er damit hatte. Nach} Rxf5 45. a4 Ke7 46. a5 Kd6 47. a6 Kc7 48. Be4 {sagte ich:" Na ja, so spannend war das jetzt aber auch nicht." und reichte die Hand. Nach 44...ef5: springt die Stellungsbeurteilung von +5.0 auf +0.1. Aber ich wollte ja positionell gesunde Züge machen...} 1-0
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