Uns hatte das Reisefieber gepackt! Czech Open 2022 – die 33. Ausgabe – war das Ziel.
Bereits im Januar hatten wir beschlossen, dass diese Reise mit vielen Jugendlichen bestückt der Höhepunkt des Schachsommers werden sollte. 10 Teilnehmer vom Schachverein Lübeck waren dabei. Einige der Teilnehmer haben auch Beiträge zu diesem Bericht beigetragen:
Lange vorbereitet begann der Ausflug zum Schachfestival nach Pardubice am Vorabend der Bahnfahrt, am 20.7.2022, als die Deutsche Bahn vorsorglich mitteilte, dass der gebuchte Zug leider ausfällt. Sonst oft ein Ärgernis, konnte uns das nicht aufhalten. Nach kurzer Klärung mit der Hotline war ein alternativer Zug gefunden und mit 4 Stunden Verspätung waren wir unterwegs in übervollen Zügen, aber mit komfortablen Platzkarten.
Schade nur, dass Joa zunächst wegen eines positiven Coronatests am Morgen der Fahrt zu Hause bleiben musste (er konnte später nachkommen und noch in das Turnier einsteigen – die Organisatoren vor Ort waren äußerst kulant).
Die Fahrt führte über Büchen und Prag. Spät aber nicht zu spät erreichten wir um 23 Uhr das Hotel in Pardubice und fanden (wichtig!) noch um Mitternacht einen offenen (!) und gut sortierten Dönerladen in der kleinen Stadt.
Das Turnier in Pardubice ist traditionell in Spielstärkegruppen aufgeteilt. Unsere Spieler verteilten sich auf:
A-Gruppe
Thomas Thannheiser, Christoph Stäblein, Joa Bornholdt (ab Runde 5)
B-Gruppe
Bruno Engel, Antonia Schmidt, Boris Monakhov, Philipp Stülcken, Max Dörp, Andrea Schnell
C-Gruppe
Marie-Sophie Gossing
Der Spaß sollte bei dieser Fahrt nicht zu kurz kommen. Daher hier vor allem Berichte über das Rahmenprogramm – weiter unten findet ihr selbstverständlich auch sehenswerte Partien und Informationen zu den Turnierergebnissen aller Lübecker.
Wassermelone
Gleich am ersten Tag gab es ein berichtenswertes Ereignis. Während Christoph seine erste Partie spielte, gingen einige von uns zum Supermarkt. Beim Einkaufen kamen Philipp und Boris auf die Idee eine Wette einzugehen:
Boris sollte eine 14,8 kg schwere Wassermelone in 13 Stunden aufessen. Dafür sollte er 5€ und einen Döner bekommen.
Gesagt, getan.
Angekommen im Hotel machte Boris sich direkt an die Arbeit. Nach zwei Stunden war 1/3 der ersten Hälfte geschafft und die erste Essenspause wurde gemacht. Mit der Zeit war die erste Hälfte der Wassermelone leer.
Sorge machte sich bei den Betreuern breit: Max brach die Wette aus gesundheitlichen Gründen ab, da sich herausstellte, dass die Wassermelone 600 Gramm Zucker enthielt (50 Gramm Zucker pro Tag empfohlen – Danke Wikipedia!).
Boris Ehrgeiz ließ jedoch nicht nach. Letztendlich hat er die Melone in 30 Stunden verspeist.
Im laufe der Zeit wurden Schwangerschaftssymptome erkennbar. So konnte man, wenn man Boris genauer betrachtete, eine leichte Wölbung dem 3. Schwangerschaftsmonat entsprechend, als auch ein leicht gerötetes/angestrengtes Gesicht samt entsprechenden schmerzvollen Stöhnen bemerken.
Schwimmbad
Der zweite Tag begann entspannt mit einem gemütlichen Frühstück. Aufgrund der sehr sommerlichen Temperaturen kam schnell der Vorschlag auf, in das nahegelegene Spaßbad zu gehen. Dieses lag praktisch direkt neben unserem Spiellokal, also gerade einmal 500 Meter von unserem Hotel entfernt. Es stellte eine kleine Herausforderung dar, im Vorfeld die Preise ausfindig zu machen, da die Website des Schwimmbads ausschließlich auf Tschechisch war und es viele verschiedene Preis-Zonen gab. Nachdem wir eine ungefähre Ahnung der preislichen Dimensionen hatten, machten wir uns auf den Weg und versuchten Eintrittskarten zu erwerben. Mit einer Mischung aus Englisch, Gestiken und Zeichensprache wurde uns schließlich Einlass gewährt.
In der ersten halben Stunde wurde das Schwimmbad von uns allen in allen Bereichen noch gemeinsam inspiziert. Dann kristallisierten sich erste Präferenzen der einzelnen Gruppenmitglieder heraus. Besonders die Reifenrutsche, die Kletterwand und der Whirlpool hatten ihre Anhänger. Die Bademeister beobachten unsere Aufteilung mit Skepsis und verdoppelten sogleich ihr Personal im Hauptbereich um uns alle gleichzeitig im Blick zu haben. So wurde Boris direkt bei einem Salto vom 1 Meter Brett ermahnt, während ein anderer Bademeister mich und Bruno auf Tschechisch zur Rede stellte, weil wir die Ampel der Reifenrutsche missachtet hatten. Auch unsere kleineren Wassergefechte wurden stets mit Argwohn beobachtet.
Offenbar waren die Tschechen normalerweise nicht so viel Action gewöhnt. Jedenfalls konnte man sich die Zeit dort sehr gut vertreiben und die zwei Stunden gingen recht schnell vorbei. Die letzten Minuten verbrachten wir mit der Suche nach Bruno, der bereits zu den Umkleiden gegangen war, da er dachte wir wären ebenfalls schon gegangen. Das Schwimmbad hatte uns so gut gefallen, dass wir am nächsten Tag direkt noch einmal reingingen. Leider stellten wir erst am letzten Tag fest, dass es einen Außenbereich gab, in welchen wir mit unseren Tickets auch gedurft hätten.
Kulturtag
Am Donnerstag beschlossen wir, die Stadt vor der wieder am Nachmittag angesetzten Runde etwas näher zu erkunden und einige kulturelle Einblicke zu bekommen. Diese Idee war nur bedingt mehrheitsfähig, sodass sich schließlich nur Christoph, Joa, Boris, Marie und ich auf den Weg machen. Der Rest entschloss sich zu einem entspannten Vormittag. Unser Weg führte uns zunächst an den zentralen Rathausplatz, der optisch durchaus beeindrucken konnte. Wir erklommen dort einen 60 Meter hohen Turm aus der Renaissance, von welchem wir einen tollen Ausblick über diverse Winkel von Pardubice zu bekommen. Eine schöne Kulisse, die sich auch sehr gut für Erinnerungsfotos eignete.
Danach schlenderten wir durch die mittelalterliche Innenstadt und gingen shoppen. Genauer gesagt waren auf der Suche nach stylischen Accessoires, mit denen wir unsere Gegner am nächsten Tag beim Teamblitz einschüchtern wollten. Joas Outfit wusste bereits am Vormittag zu beindrucken und trug zu seinem dritten Platz beim Blitzturnier bei. Für die maximale Seriosität des Teams, brauchten daher auch die anderen Mitspieler noch ein passendes Outfit. Das stellte sich tatsächlich als schwieriger heraus als zunächst gedacht und Läden mit stylischen Kopfbedeckungen gab es nur sehr spärlich.
Während Boris eine Investition in eine Sonnenbrille wagte, wovon wir Christoph beinahe auch überzeugen konnten, wurde der Rest in einem „1-Euro-Shop“ fündig. Dort besorgten wir uns einen Sheriff-Hut für Christoph und einen großen Strohhut für mich. Wasserpistolen hätten das Outfit noch abgerundet, doch die gab es leider nicht zu kaufen. Nach den erfolgreichen Einkäufen pilgerten wir zu einer Wiese, die in einer idyllischen Kurve der Elbe (tschechisch: Labe) lag. Umliegende Bäume boten ausreichend Schatten, sodass man trotz der Temperaturen von über 30 Grad Frisbee spielen konnte, ohne komplett durchgeschwitzt zu sein.
Der Ausflug endete mit einem Großeinkauf bei Billa, wo wir für die kommenden Tage unsere Vorräte auffüllten.
Blitz-Turniere
Als Rahmenprogramm am Vormittag hatte der Veranstalter mehrere Blitzturniere angeboten. Für den einen oder anderen Jugendlichen zunächst eine willkommene Gelegenheit sich eine "Blitz-ELO" zu erarbeiten. An den ersten beiden Tagen mussten wir allerdings feststellen, dass die anderen Spieler auch Blitzen können -- so haben wir Trostpreise mitgenommen; die "Pardubice"-Tassen und NewInChess Hefte finden sich in Kürze im LSV Heim, Boris ist zum Sanitäter aufgestiegen mit dem gewonnenen Erste-Hilfe-Set für die Hosentasche).
Trotzdem gab es noch Anschauungsunterricht. Einer der anwesenden ausländischen Spieler hatte große Schwierigkeiten beim Verkraften von Niederlagen. So konnten die Jugendlichen Erfahrungen sammeln wie man es nicht machen sollte. Niederlagen zu verarbeiten durch "sich selbst schlagen", "den Schiedsrichter nerven", "Fäuste ballen", "mit Anlauf gegen eine Wand rennen und nur knapp davor noch zum Stehen kommen", und andere Techniken wirken weder souverän, noch sind diese aus anderen Gründen empfehlenswert.
Am zweiten Blitzturnier nahmen von den Lübeckern Christoph, Boris, Joa und Philipp in stets seriösem Anzug teil, schließlich wurde ja kein Spaßturnier gespielt.
Für Joa lief es sogar ziemlich gut, sodass er in der letzten Runde knapp den ersten Platz verfehlte aber dank besserer Buchholz trotzdem noch auf dem Treppchen landete und sich über 500 Tschechische Kronen freuen durfte.
Brückenbau/ Spaziergang in die Vergangenheit
Der letzte Tag sollte nochmal ein schöner schachlicher Abschluss werden. Gute Vorbereitung war erforderlich. Die Entscheidung viel nicht auf eine lange Vorbereitungssitzung am Schachbrett, sondern einen Streifzug durchs Grüne, am Nebenfluss der Elbe, namens Chrudimka zeigt google maps einen Park mit ausgedehnten Flussauen.
Joa hatte das Ziel auf der Karte entdeckt ("die Brücke sieht interessant aus") und war nach seinem Besuch im Gym noch nicht ausgelastet. Andrea und Thomas ließen sich auch nicht lange bitten. Zu viert ging es los. Die Brücke sieht aus wie aus dem 2. Weltkrieg übrig geblieben -- sind hier eben noch Panzer rüber gerollt? Majestetisch, im Eifelturm-look, aber durch und durch verrostet. Die Überquerung war kein Problem und die Vorbereitung war erfolgreich. Die Wanderer konnten am letzten Tag 2,5 Punkte aus 3 Partien plus einen kampflosen Punkt vorweisen.
Partnertausch
Bei einem so großen Turnier kann man diesen Zufall schon als Kuriosität berichten:
In der B-Gruppe, Runde 1 bzw 5 traf Max auf Frank Modder und Bruno auf den Schweden Ulf Wesslen -- und verloren beide Partien. In der 8. Runde dann bescherte die Auslosung die selben Gegner, nur vertauscht. Max und Bruno hatten in der Zwischenzeit so viel Erfahrung gewonnen, dass sie problemlos jeweils ein Remis erreichten.
Essen fassen
Wir hatten diesmal ein Hotel mit "Kitchenette" in einigen Zimmern gebucht. Leider gab es weder Kochtopf noch Kochplatte -- nur Mikrowelle. Das reicht für die Verpflegung morgens und mittags vor der Runde, aber Abends mussten wir uns doch jeden Tag eine warme Mahlzeit suchen.
Favoriten waren "Ali aus Deutschland -- der freundliche Dönerimbiss", „Indisch mit Gemeinschaftstisch für 10 Personen“ und ein „Pizzalokal auf dem historischen Marktplatz“. Alle haben ihre Vorteile -- wobei die Pizza gerne auf sich warten ließ. Egal, niemand ist verhungert soweit wir das beurteilen konnten.
Döner „wie zu Hause“
Interessante Leute inklusive: Das bei uns beliebte Döner-Lokal hatte noch Überraschungen parat. Beim 2. Besuch erkannte uns der Chef sofort wieder, erriet dass wir aus Deutschland kommen und erzählte, dass bei ihm ausschließlich Zutaten aus Deutschland in den Döner kommen. Seine Familie war gerade aus Deutschland anwesend da seine Tochter Sommerferien hatte. Für manche von uns war er außerdem eine Geld-Wechselstube EUR-CZK. Wir hatten einen echten Deutschland-Fan kennen gelernt.
Mannschaftsblitz
Neben den Einzel-Blitzturnieren gab es am vorletzten Turniertag auch noch ein Blitzturnier für 4er-Teams. Auch das haben wir uns nicht entgehen lassen und sind mit einer 6er-Mannschaft (ergo 2 Ersatzspielern) angetreten. Die am Kulturtag besorgten Accessoires kamen nun erst recht zum Einsatz. Fast kein Gegner reagierte vor Beginn der Partie nicht auf unser Outfit, egal ob auf Deutsch, Englisch, Tschechisch oder Ukrainisch. Das Lachen verging den meisten Teams jedoch schnell während dem Match, weil wir deutlich über unseren Erwartungen spielten und letztendlich mit dem 6. Platz ein respektables Ergebnis erzielten.
Kissenschlachten
Ein noch lange in Erinnerung bleibendes Highlight waren die Kissenschlachten, insbesondere am letzten Abend. Max war noch auf dem 3er-Zimmer von Boris, Joa und Philipp als diese drei plötzlich ihr Kissen zur Hand nahmen und auf Max einschlugen. Nachdem Max die unerwartete Attacke kurz über sich ergehen ließ fing er schließlich an sich zu verteidigen, schnappte sich ein Kissen und verteilte den drei Angreifern eine Tracht Prügel. Die Stärke der Schläge sind für Unbeteiligte schier unvorstellbar.
Detailierte Ergebnislisten sind auf der Homepage des Turniers und bei Chess Results zu finden:
Abschluss
Man könnte sagen, dass das Turnier nicht den erhofften schachlichen Erfolg beschert hat (ausdrücklich ausgenommen Marie, die in der C-Gruppe mit großen Erfolg vorne mitspielte).
Die Stimmung auf der Rückfahrt spricht eine andere Sprache. Mit dem Schwur nächstes Jahr bestimmt wieder dabei zu sein verabschieden sich die Teilnehmer. Jeder hat Erinnerungen und Erkenntnisse mitgenommen!