Beginnen wir mit einem Zitat von Wilhelm Busch (1832-1908)

„Stets findet Überraschung statt.
Da, wo man’s nicht erwartet hat.“

Mitte September erreichte mich ein Anruf von Marco. Ob ich Interesse hätte, im hessischen Korbach, ein kleines, 7-rundiges Open mitzuspielen. Warum nicht. Auf der Suche nach einem schnellen Vergnügen, Zeitvertreib und Nervenkitzel, all das verbunden mit guter Gastronomie bot sich Marcos Offerte geradezu an.

Der Möhnesee-Pokal und das Apolda-Open waren letzten Schach-Open an denen ich mitgewirkt hatte. Also Korbach, seit 2013 sogar Hansestadt Korbach - warum nicht. Schnell mal den Ort gegoogelt. Und was finde ich da?

„In der Korbacher Spalte, einer Erdspalte in der Nähe Korbachs, gab es bedeutende Fossilienfunde aus dem Oberterm. Es sind die einzigen Procynosuchus-Funde (auch „Korbacher Dackel“ genannt) auf der Nordhalbkugel.“

Das hätte ich nie für möglich gehalten. Da gab es kein Zögern und Wanken mehr. Marco stellte seinen PKW zur Verfügung, ich mein Navi und Joa-Max Bornholdt (13 Jahre) reichlich (teilweise von ihm selbst gefertigtes) Gebäck. Zwecks Akklamation in den Ausläufern des Sauerlandes erfolgte die Anreise bereits ein Tag früher - am Tag der Deutschen Einheit.

Die gute Laune wurde auch nicht dadurch getrübt, als mein Handy-Navi aufgrund eines „Fingerfehler“ uns den Weg Richtung Osnabrück wies. Auf diese Weise durften wir das Kreuz Bielefeld, welches die A 33 mit der A 2 verknüpft, gleich mehrfach kennen lernen.

Im sehr zentral gelegenen Hotel „Goldflair“ fanden wir für die folgenden 4 Tage Zuflucht. Beinahe hätte ich es noch abgefackelt, als ich beim Studium der Speisekarte der Tischkerze zu nahe kam.

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Das Open selbst (04.-07.10.18) feierte mit dem 10-jährigen Bestehen zugleich auch ein kleines Jubiläum. Die Qualität einer solchen Schachveranstaltung kann man auch gut an der Teilnehmerzahl erfassen. Über 350 Spielerinnen und Spieler besetzten die Tische im Bürgerhaus. Gleich drei TWZ- Leistungsgruppen wurden geboten: A > 1500, B < 2000 und C < 1400. Marco „musste“ in A, Joa Max wollte in A und der „Rest-LSV“, bestehend aus dem Berichterstatter und den am Spieltag mit Vater Reinhard angereisten Justus Sommer (9 Jahre) sowie ebenfalls mit familiärer Fürsorge Niklas Senechal (13 Jahre) gaben sich in B die Ehre.

Und dann gab es noch ein sehr erfreuliches Wiedersehen. Unser Ex-Jugendwart Bernhard Weber ließ es sich nehmen, uns einen Betreuungsbesuch abzustatten. Leider nur für die ersten beiden Tage.

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Gespielt wurde mit der mittlerweile sehr verbreiteten Bedenkzeit von 90 Min. a 40 Züge + 30 min + 30s / ab dem 1. Zug. Sieben Runden heißt Doppelrunden von Freitag bis Sonntag. Vielleicht nicht unbedingt jedermanns Sache, andere schätzen vielleicht gerade diesen Modus.

Noch wenige Tage vor Turnierbeginn stand ich auf Platz 1 der Teilnehmerliste. Ein Umstand, der mich nicht unbedingt glücklich machte – wegen Druck, Verantwortung und so. Glücklicherweise rutschte ich in den Folgetagen noch ab. Zwar nur auf Rang 7, aber immerhin nicht unbedingt im Fokus der Schachöffentlichkeit.

Am Ende wurde es Platz 25. 4 Punkte aus 7 Runden, die ich mir mit weiteren 14 Spielern teilte. Klingt, angesichts der Platzierung auf der Teilnehmerliste (von 7 auf 25), nicht gerade für einen erfolgreichen Turnierverlauf. Doch unzufrieden war ich keineswegs. Die beiden Verlustpartien in den Runden 2 und 4 hatte ich mir in bester Suizidmanier selbst zuzuschreiben.


Es ging aber auch anders:

Weitaus schlimmer erging es dem topgesetzten Dimitri Konstantinowski, der mit 3 aus 3 begann, dann zwei Partien verlor, um in den beiden letzten Runden nicht mehr anzutreten. Am Ende wurde es für ihn Rang 44.

In der vorletzten Runde hielt das Schicksal in Form des Auslosungsprogramms ein besonderes Schmankerl bereit. Die Paarung hieß J. Sommer – E. Stomprowski. Da fährt man nun aus Lübeck über 400 km, um gegeneinander anzutreten. Der Versuchung Marco etwas „auszuquetschen“ konnte ich gut widerstehen. Er hätte ohnehin nichts preisgegeben. Auf den Tisch kam im Sizilianer die Alapin-Variante. Im 22. Zug musste ich die Qualität geben. Immerhin konnte ich im weiteren Partieverlauf einigen Ärger machen und letztlich gerade so eben nach 56 Zügen Remis halten.

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Justus machte in diesem Turnier einen hervorragenden Eindruck. Von Listenplatz 36 auf Rang 13. Er verlor nur eine Partie und erzielte aus den 7 Runden 4,5 Punkte. Hier ein beeindruckendes Beispiel:

Man wird nicht müde zu betonen, dass Justus erst 9 Jahre zählt. Der Jugendpreis in dieser Gruppe sein gerechter und verdienter Lohn!

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Sieger des Turniers wurde der für SG Bochum spielende Aaron Köllner mit 6 Punkten dank besserer Zweitwertung vor Holger Michels (SG Mörsdorf-Lahr).

Für Niklas lief das Turnier etwas an ihm vorbei. Ein starker Auftakt mit einem Sieg gegen einen Spieler mit knapp 1700 wurde so manch gute Position verdorben. Am Ende wurden es für ihn 2 Punkte.

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Damit wollen wir es mit der B-Gruppe sein Bewenden lassen und richten den Blick auf die Gruppe A, in der Marco Frohberg und Joa Max Bornholdt die LSV-Farben vertraten.

Mittlerweile ist es kein Geheimnis, dass Marco das Turnier gewonnen hat. Nochmal greifen wir zum Zitatenschatz unserer Dichter und Denker, genauer zum Lübecker Emanuel Geibel (1815-1884): „Viel vermag, wer überraschend wagt“. Besser lässt sich kaum umschreiben, was hier in Korbach passiert ist. Von 15 auf 1. Diese Veranstaltung war einfach „sein“ Turnier. Aber das er am Ende ganz oben stehen würde, wurde Marco selbst erst nach und nach klar. Nach 3 Siegen und zwei Punkteteilungen kam die wohl vorentscheidende Begegnung gegen den Berliner Henrik Hesse. Freundlicherweise hat Marco diese Partie mit einigen Kommentaren versehen.

Vor der letzten Runde ging es ab zum Italiener. Dort warteten nicht nur leckere Bruschettas, sondern auch die Datenbank im Laptop. Marcos Annahme der Schlussrundengegner würde der serbische GM Misa Pap sein zerstob rasch. Es gab doch noch weitere Alternativen und so konnte der Rechner wieder abgeschaltet werden. Und so hatten die Antipasti Vorrang.

IM Robert Baskin aus Griesheim war nun der tatsächliche Gegner. Marco hat sich zu dieser Partie selbst in seiner Rückschau geäußert. Insbesondere zu der psychologischen Situation in der er sich nach der Remisofferte befand. Doch hier konnte es nur eine Entscheidung geben. Was hilft ein Remis mit Platz 5 oder 6. Nein, eine solche Chance kommt nicht oft im Leben und so kam es schließlich zu dem erwähnten Damenopfer, dem wir dieses Diagramm widmen:

Das war Platz 1 mit einem besonders schönen Stellungsbild. Respekt Marco. Doch vielleicht darf man anmerken, dass oft der Erfolg viele Väter hat. In diesem Fall das Training mit den LSV-Jugendlichen. Lehren hilft Lernen – oder win-win-situation.

Joa Max kämpfte sich tapfer durch ein starkes Feld und holte hier 2,5 Punkte, was in etwa auch seiner Einordnung entsprach.

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So gingen 4 Tage mit Schach, leckerem Essen (na ja fast, wenn man einen bestimmten Grill im Auge hat). Dazu die Betreuung (insbesondere "fototechnisch") von Justus` Papa. Es waren rundherum wunderbare Tage.

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Auch auf der sehr späten Rückfahrt war Marco immer noch beflügelt, was einerseits seinem flotten Fahrstil zu Gute kam. Allerdings auch der einen und anderen Gemeindekasse (Blitzer).

Übrigens, 3 x spielte ich das Möhnesee Open und das Apolda-Open mit. Danach wurden beide Veranstaltungen nicht mehr fortgeführt. Nun gut, Korbach zum Ersten…

Zurück in Lübeck wurde mir klar, dass ich die Fossilienfunde im Oberterm doch nicht mehr besichtigt hatte. Mist! Nun, 2019 gibt es eine neue Chance.